Über 100 Dresdner Wissenschaftler:innen tauschten sich zu Gemeinsamkeiten in der Forschung zu Diabetes, Krebs und neurodegenerative Erkrankungen aus.
Insgesamt mehr als 80 Institutionen mit zahlreichen beteiligten Hochschulen, Universitätskliniken und außeruniversitären Forschungseinrichtungen bilden die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Drei von ihnen haben Partnerstandorte in Dresden. Zu ihnen gehören das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und das Paul-Langerhans-Institut Dresden (PLID) des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).
In den einzelnen Zentren arbeiten die besten Wissenschaftler:innen aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen interdisziplinär zusammen, um neue medizinische Forschungsergebnisse schneller in die Anwendung zu bringen. Dies ist auch dringend nötig, denn nach wie vor ist die Zahl der Menschen, die an Volkskrankheiten wie Krebs, Stoffwechsel- oder neurodegenerativen Erkrankungen leiden beziehungsweise neu erkranken, besorgniserregend.
Trotz unterschiedlicher inhaltlicher Schwerpunkte der drei Zentren gibt es viele Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Entwicklung von neuen Therapieansätzen oder Untersuchungsmethoden. Eine regelmäßige intensive und vor allen langfristige Vernetzung am Standort Dresden bietet daher hervorragende Möglichkeiten, gemeinsam neue innovative Forschungsstrategien zu entwickeln.
Einmal jährlich organisieren die drei Zentren das gemeinsame „Joint DZG Symposium Dresden“, das am 27. April seinen fünften Geburtstag feierte und diesmal maßgeblich vom PLID ausgerichtet wurde. Das als Austauschplattform für Dresdner Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen konzipierte Symposium, konnte nach mehrjährigen Corona-bedingten Onlineveranstaltungen, dieses Jahr wieder als Präsenzmeeting mit über 100 Teilnehmer:innen stattfinden.
Die Begrüßung erfolgte durch Prof. Michele Solimena, Standortsprecher am PLID/DZD und Prof. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, die übereinstimmend die Bedeutung der DZG für den Johannstädter Campus der Dresdner Hochschulmedizin unterstrichen.
In seinem Vortrag zu den nationalen Aktivitäten der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung sprach Martin Hrabé de Angelis, Vorstandsmitglied des DZD und diesjähriger Vorsitzender des Leitungskomitees der nationalen DZG-Aktivitäten, darüber, welche Bedeutung gemeinsame Forschungsprojekte und Forschungs-IT, die Nachwuchsförderung und die Patient:innenbeteiligung für Zusammenarbeit und den Erfolg der DZG haben.
Zu den seit 2020 beliebten und erfolgreichen Grants für die Anschubfinanzierung von DZG-übergreifende Projekten, welche neue translationale Aktivitäten zwischen den Dresdner DZGs fördern sollen, präsentierten die Preisträger des Jahres 2022 ihre Projekte:
Die in den drei Projekten erzielten Ergebnisse sind überzeugend und bieten eine Basis für eine weiterführende gemeinsame Forschungstätigkeit.
Die diesjährige Keynote-Lecture wurde von Prof. Anthony Hyman, dem Managing Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden gehalten. Der Vortrag des mehrfach hochrangig ausgezeichneten Wissenschaftlers beschäftigte sich mit der Zelle als polyphasischem System und der Frage, wie sich die Bildung flüssiger Phasen in einem flüssigen Zytoplasma auf die Bildung von membranlosen Kompartimenten von Makromolekülen in lebenden Zellen auswirkt. Spannend vorgetragen wird er den Zuhörern am Ende nicht nur wegen des anschaulichen „Öl und Essig“ Vergleiches in Erinnerung bleiben.
Zum Abschluss des 5. Gemeinsamen DZG Symposiums verkündete Prof. Mechthild Krause noch den Call für die nächste Runde der DZG-übergreifenden Anschubfinanzierungen bei dem jeweils mindestens zwei Wissenschaftler:innen unterschiedlicher DZGs gemeinsam einen Projektantrag einreichen können und lud die Teilnehmer zum 6. Gemeinsamen DZG Symposium ein, welches 2024 vom DKTK in Dresden ausgerichtet werden wird.
Die American Diabetes Association (ADA) verleiht für bedeutende Durchbrüche ihre höchste Auszeichnung, die Banting Medal for Scientific Achievement. Sie ist benannt nach dem Nobelpreisträger und Entdecker des Insulins, Frederick Banting. Prof. Dr. med. Dr. h.c. Matthias Tschöp, CEO des DZD-Partners Helmholtz Munich und Humboldt-Professor an der Technischen Universität München (TUM), ist nun der erste Deutsche, der die renommierte Auszeichnung erhält.
Die Aufgabe der ADA ist es, Diabetes zu verhindern und zu heilen und das Leben aller von Diabetes betroffenen Menschen zu verbessern. Die Vereinigung hat nun die diesjährigen Preisträger bekannt gegeben. Matthias Tschöp, Helmholtz Munich CEO und Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft für den Forschungsbereich Gesundheit, ist der Preisträger der Banting-Medaille für wissenschaftliche Leistungen 2023, der höchsten Auszeichnung der ADA.
Die prestigeträchtigen Auszeichnung würdigt bedeutende, langfristige Beiträge zum Verständnis, zur Behandlung oder zur Prävention von Diabetes. Eine besondere Ehre, denn Tschöp ist nicht nur der erste deutsche Wissenschaftler, der diese Medaille erhält, sondern auch der aktuell jüngste Banting-Medaillen-Träger. Der 1941 ins Leben gerufene Preis wird im Gedenken an Nobelpreisträger Sir Frederick Banting verliehen, einem der Entdecker des Insulins und seiner therapeutischen Anwendung.
Entdeckung von bahnbrechenden Medikamenten gegen Adipositas und Diabetes
Der Mediziner und Wissenschaftler Matthias Tschöp hat eine Reihe von bahnbrechenden Erfolgen im Bereich der Diabetesforschung vorzuweisen. Neben dem von ihm im Jahr 2000 entdeckten Hungerhormon Ghrelin fanden Tschöp und sein langjähriger Chemiker-Kollege Richard DiMarchi die neue Wirkstoffklasse der Zwei- und Dreifach- Darmhormon-Medikamente, die sogenannten Polyagonisten, deren erste Version im vergangenen Jahr in den USA zugelassen wurden. Mehr als zehn weitere Polyagonisten befinden sich derzeit in der klinischen Prüfung und versprechen eine neue Ära der Stoffwechselmedizin.
Erstmals können die Volkskrankheiten Übergewicht und Adipositas mit diesen Medikamenten umfänglich behandelt und damit das Risiko, an Diabetes zu erkranken, deutlich reduziert werden. Die vielfältigen Entdeckungen von Matthias Tschöp haben somit auch wesentlich zu Fortschritten in der Diabetesversorgung und -forschung beigetragen und den Kampf gegen die Krankheit bereits verändert.
Eine renommierte Auszeichnung
Matthias Tschöp ist einer der wenigen internationalen Preisträger der höchsten Auszeichnung der American Diabetes Association. Diese wird auf der 83. wissenschaftlichen Tagung der ADA vom 23. bis 26. Juni 2023 in San Diego (USA) verliehen. Es handelt sich um die weltweit größte wissenschaftliche Tagung, die sich mit Diabetesforschung, -prävention und -versorgung befasst. Mehr als 12.000 führende Ärzte, Forschende und Gesundheitsfachleute aus der ganzen Welt werden erwartet, um neueste Forschungsergebnisse, Behandlungsempfehlungen und Fortschritte auf dem Weg zur Heilung von Diabetes vorzustellen.
Über den Wissenschaftler:
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Matthias H. Tschöp ist CEO und wissenschaftlicher Geschäftsführer bei Helmholtz Munich, Alexander-von-Humboldt-Professor an der Technischen Universität München (TUM) und Vizepräsident der Helmholtz-Gemeinschaft für den Forschungsbereich Gesundheit.
Interview „Auf dem Weg zu einem Wirkstoff gegen Adipositas“ mit Matthias Tschöp
Noch Monate nach einer COVID-19-Erkrankung sind manche Menschen nicht mehr so belastbar wie vor der Infektion: Sie haben Schwierigkeiten sich zu konzentrieren, sind müde, leiden unter Kopfschmerzen und Atemproblemen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von fünf Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG) kommen am 31. Oktober 2022 zusammen, um den aktuellen Wissensstand zu den Spätfolgen zu diskutieren. Auch Journalistinnen und Journalisten sind auf dem Kongress in der Deutsche Bank Arena in Frankfurt am Main willkommen.
Laut Bundesärztekammer leiden 15 Prozent aller an COVID-19-Erkrankten an einem Post-COVID-Syndrom (PCS). PCS bezeichnet Beschwerden, die noch drei Monate nach der akuten Infektionsphase mit SARS-CoV-2 bestehen und immer wiederkehren oder mindestens zwei Monate anhalten. Dabei kann eine Infektion Spuren in vielen Organen hinterlassen und das Herz-Kreislauf-System, den Atmungstrakt, den Stoffwechsel und das Nervensystem betreffen. In fünf Sessions erläutern Forschende des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) ihre aktuellen Erkenntnisse zu Corona-Spätfolgen. Prof. Susanne Herold vom Universitätsklinikum Gießen eröffnet die Veranstaltung mit einem Vortrag zu den Folgen für das Herz-Lungen-System bei Post-COVID.
Geringe psychosoziale Belastbarkeit ist ein PCS-Risikofaktor
Zwei Risikofaktoren für PCS haben sich bereits herauskristallisiert. Neben dem eher erwartbaren Faktor Erkrankungsschwere fanden Prof. Thomas Bahmer vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) und seine Kollegen heraus, dass auch Menschen mit einer geringen psychosozialen Belastbarkeit und schwächeren Resilienz ein höheres Risiko haben, ein PCS zu entwickeln. Außerdem entwarfen sie ein Klassifizierungssystem, mit dem erfasst werden kann, ob ein PCS vorliegt und wie schwerwiegend es ist. Bahmer spricht in der von DZL-Sprecher Prof. Werner Seeger geleiteten Session, in der es auch um Lungenschäden und die Rolle bildgebender Verfahren bei Long-COVID geht. Letztere stellt Prof. Hans-Ulrich Kauczor vor, der am Beratungsleitfaden der WHO zur Anwendung bildgebender Verfahren bei COVID-19 beteiligt war.
Wie sich psychosoziale Aspekte auf die Symptome und den Schweregrad bei PCS auswirken, erforscht auch DZIF-Forscherin Dr. Christine Allwang vom Münchner Universitätsklinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Die langsame Genesung, körperliche und psychische Beschwerden beeinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen Personen erheblich. Allwang analysiert die spezifischen Bedürfnisse dieser Menschen, um Lebensqualität und die allgemeine Funktions- und Leistungsfähigkeit zu verbessern. Darauf aufbauend will sie Unterstützungsangebote entwickeln, die etwa Strategien zum Umgang mit den anhaltenden Symptomen vermitteln. Prof. Sandra Ciesek vom Uniklinikum Frankfurt leitet die Session des DZIF.
Thromboseneigung und andauernde Herzbeschwerden
Häufig kommt es bei schweren COVID- 19-Verläufen zu Lungenembolien oder Thrombosen in den Venen. DZHK-Forscher Prof. Steffen Massberg vom Klinikum der Universität München sucht nach Mechanismen, die zu derartigen Komplikationen führen, und beleuchtet deren Bedeutung für Corona-Spätfolgen. Thrombose und Entzündung sind physiologisch gesehen zwei getrennte Prozesse. Doch mittlerweile weiß man, dass sie wechselwirken: Durch Krankheitserreger hervorgerufene Entzündungen können das Blutgerinnungssystem aktivieren. Damit soll verhindert werden, dass sich die Erreger über den Blutkreislauf im ganzen Körper ausbreiten. Dieser als Immunthrombose bezeichnete Prozess kann bei SARS-CoV-2-Infektionen zu einer erhöhten Thromboseneigung im gesamten Körper führen.
Massberg skizziert, was daraus für die Therapie von COVID-19 abgeleitet werden kann und wie man solche Blutgerinnungsstörungen möglicherweise verhindern könnte. In der von Prof. Andreas Zeiher geleiteten Herz-Kreislauf-Session stellt außerdem Prof. Eike Nagel vom Frankfurter Universitätsklinikum vor, welche Aufschlüsse das Herz-MRT bei Post-COVID gibt. In einer Studie mit über 300 Teilnehmern konnte er vier bis elf Monate nach einer Coronainfektion bei über der Hälfte der Teilnehmer eine leichte, andauernde Herzentzündung feststellen. Sie könnte erklären, warum viele an COVID-19 -Erkrankte noch Monate nach der Infektion unter Herzrasen, Brustschmerzen und einer geringeren Belastbarkeit des Herz-Kreislauf-Systems leiden.
Erhöhtes Demenz-Risiko und entgleister Stoffwechsel
Neurologische Beschwerden treten nicht nur während der akuten Infektion auf, sondern auch in den Monaten danach. Studien zeigen, dass Menschen nach COVID ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für eine Demenz haben. Auch Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Depressionen werden in Zusammenhang mit PCS genannt. Prof. Harald Prüß, Neurologe an der Charité Berlin, konnte mit seiner DZNE-Forschungsgruppe nachweisen, dass sich Virus-Antikörper auch gegen Gehirnstrukturen richten. Seine aktuellen Ergebnisse stellt er in der DZNE-Session vor.
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und Adipositas erhöhen das Risiko für eine schwer verlaufende COVID-19-Erkrankung. Umgekehrt werden bei COVID-19-Patienten auch erhöhte Blutzucker-Werte, Entgleisungen des Stoffwechsels, Diabetes und schwere metabolische Komplikationen eines vorbestehenden Diabetes beobachtet. Wie PCS, Stoffwechsel und Diabetes zusammenhängen, stellt DZD-Forscher Prof. Stefan Bornstein vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden vor.
Sport nach COVID-19
Im Anschluss an das wissenschaftliche Symposium findet eine öffentliche Bürgerveranstaltung unter dem Motto „Wieder fit und sportlich aktiv nach COVID-19“ statt: mit Prof. Winfried Banzer, Wissenschaftlicher Leiter der medizinischen Abteilung der Eintracht Frankfurt und Mannschaftsarzt, Prof. Martin Halle, Ärztlicher Direktor der Präventiven Sportmedizin und Sportkardiologie der Technischen Universität München und Prof. Andreas Zeiher, Universitätsklinikum Frankfurt am Main und Sprecher des Standortes RheinMain des DZHK. Moderiert wird die Veranstaltung von Sascha Zoske, Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Programm und Anmeldung
Anmeldung und detailliertes Programm zum wissenschaftlichen Symposium (Konferenzsprache englisch):
www.deutschezentren.de/veranstaltungen/post-covid-symposium/
Anmeldung und Informationen zur Bürgerveranstaltung:
www.deutschezentren.de/veranstaltungen/post-covid-buergerdialog/