Patient:innenbeteiligung
Patientenbeiräte und andere Beteiligungsformate
Die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung haben in den letzten Jahren zahlreiche Möglichkeiten geschaffen, wie sich Patient:innen aktiv in den Forschungsprozess einbringen können.
Patientenbeirat für Diabetesforschung
Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung (DZD) ist ein nationaler Verbund, der Diabetesforschung bündelt und Grundlagenforschung, translationale Forschung, Epidemiologie sowie klinische Anwendung verzahnt. Es wird vom BMBF und den Sitzländern seiner Standorte gefördert. 2021 hat das DZD einen Patientenbeirat („Citizen Advisory Board”) eingerichtet, um besser auf die Bedürfnisse und Interessen von Personen mit Diabetes eingehen zu können und die Qualität von Forschung und Kommunikation zu verbessern.
Der Beirat besteht aktuell aus sieben Mitgliedern: Personen mit Typ1- und Typ2-Diabetes sowie Angehörige und Nicht-Betroffene. Sie kommen zu zwei Sitzungen pro Jahr zusammen. Die Ziele wurden gemeinsam mit den Mitgliedern des Patientenbeirats erarbeitet und in einer Geschäftsordnung festgehalten, die in der DZD-Mitgliederversammlung verabschiedet wurde.
In den drei bisherigen Sitzungen wurde unter anderem die Planung einer klinischen Studie zur Prävention von Diabetesfolgeerkrankungen diskutiert. Die Patientenbeiratsmitglieder besprachen das Studienprotokoll, die geplanten Endpunkte, die Kommunikation zur Patientenaufklärung und mögliche Rekrutierungswege. Die Diskussionspunkte wurden im Anschluss vom Studienteam geprüft, und verschiedene Aspekte wurden in das Studienprotokoll integriert. So wurden beispielsweise weitere Endpunkte wie Nebenwirkungen, Wechselwirkungen von Medikamenten, Folgeerkrankungen oder Auswirkung auf Allergien sowie das Absetzen bzw. Hinzunehmen anderer Medikamente aufgenommen. Auch ein Fragebogen zur Lebensqualität wurde integriert. Der Patientenbeirat erhielt in seiner folgenden Sitzung eine Rückmeldung, welche Empfehlungen vom Studienteam umgesetzt wurden.
Patientenbeirat für Krebsforschung
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat 2018 als erste Einrichtung in Deutschland einen Patientenbeirat speziell für Forschung eingesetzt. Dieser berät seitdem den DKFZ-Stiftungsvorstand aus Patientenperspektive bei neuen Impulsen für die Krebsforschung, bei der Identifizierung von unvorhergesehenen Risiken, Hindernissen und unbeabsichtigten Folgen von Forschungsstrategien und Projekten. Der DKFZ-Stiftungsvorstand greift dabei auch konkrete Empfehlungen aus dem Patientenbeirat auf und setzt diese um (Beispiel: Internal Review Board).
Darüber hinaus unterstützt der Patientenbeirat das DKFZ bei der Förderung von Verständnis und Vertrauen für die moderne Krebsforschung in der nicht-wissenschaftlichen Öffentlichkeit und anderen nicht-wissenschaftlichen Interessengruppen.
Das DKFZ stellt fachliche Expertise zur Verfügung, um eine sinnvolle Patientenbeteiligung auf Augenhöhe zu ermöglichen. Ziel der Zusammenarbeit ist es, die besondere Sicht und Erfahrung von Menschen, die selbst von einer Tumorerkrankung betroffen waren, von Beginn an in die strategischen Planungen des DKFZ miteinzubeziehen.
Im Zuge der Erweiterung des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs wurde ein eigener nationaler NCT-Patientenrat gegründet, der schon von Beginn an, also auch in der Konzeptentwicklungsphase auf Augenhöhe eingebunden wurde. Erstmals entscheiden Patientenvertretende direkt beim Aufbau einer langfristig angelegten Forschungsinstitution mit.
DZNE-Patientenbeirat
Ziel des DZNE-Patientenbeirats ist es, das Bewusstsein für krankheitsbedingte Probleme zu fördern, die im Rahmen der DZNE-Mission erforscht und bearbeitet werden müssen. Der Beirat berät den DZNE-Vorstand und die DZNE-Wissenschaftler in Fragen der weiteren Integration von Patienten in die Gesellschaft und der Vermeidung ihrer Stigmatisierung sowie in Gesundheitsfragen, die durch medizinische Interventionen oder Versorgungsansätze verbessert werden können. Der Vorstand setzt sich in der Öffentlichkeit, bei politischen Entscheidungsträgern und in den Medien für die Sache der neurodegenerativen Erkrankungen und der DZNE-Forschung ein. Ziel ist es, die Stimme der Patienten in die Kernaktivitäten der Forschung zu integrieren und gemeinsam auf eine stärkere Sensibilisierung der Gesellschaft für alle Themen rund um neurodegenerative Erkrankungen hinzuarbeiten. Der Beirat setzt sich aus Betroffenen und Vertretern von Patientenorganisationen zusammen, wählt einen eigenen Vorsitzenden und trifft sich mindestens zweimal im Jahr mit dem DZNE-Vorstand. Das Board wird vom DZNE in allen notwendigen Funktionen unterstützt.
Kollaborative Untersuchung der Versorgungsprozesse in der Nachsorge bei Gestationsdiabetes
Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes mellitus, GDM), ein erhöhter Blutzuckerspiegel während der Schwangerschaft, geht mit einem erhöhten Lebenszeitrisiko für einen nachfolgenden Typ-2-Diabetes einher. Das Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie (IVG) der Universität Düsseldorf und des Deutschen Diabetes-Zentrums untersucht im Projekt GestDiNa_basic mit vielen Kooperationspartnern die Versorgungssituation in der Nachsorge bei GDM. Das Projekt wird mit Mitteln des Innovationsfonds des G-BA gefördert. Aus den Ergebnissen soll ein Patientinnen-zentriertes Versorgungsmodell hervorgehen.
Durch eine Förderung der Universität Düsseldorf erfolgte die Integration eines partizipativen Ansatzes in das Projekt, wodurch Patientinnen und BürgerInnen als „Co-Forschende“ aktiv über die gesamte Projektzeit beteiligt wurden.
Die Co-Forschenden wurden dazu entsprechend ihrer individuellen Präferenzen in die Forschungsarbeiten der Projekt-AGs eingebunden, entwickeln gemeinsam mit den Forschenden das Versorgungsmodell und arbeiten mit an Publikationen. Sie wurden durch das IVG, das Institut für Allgemeinmedizin und das Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin geschult sowie kontinuierlich begleitet und unterstützt. Darüber hinaus fand ein Austausch über Kommunikationsstrategien, neue Forschungsideen und die Evaluationsstrategie statt. Die Co-Forschenden wurden für ihre Mitarbeit vergütet.
„Do it yourself“-Therapie für Typ-1-Diabetiker
Im Citizen-Science-Projekt „TeQfor1“ konnten 77 Nutzerinnen und Nutzer von „Do-it-Yourself“ (DIY)-Systemen zur automatisierten Insulinzufuhr in Abhängigkeit vom Gewebezuckerwert gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern untersuchen, wie sich diese auf die Lebensqualität von Menschen mit Typ-1-Diabetes auswirken. Dazu gab es bislang kaum Studien.
Mit einem bürgerwissenschaftlichen Ansatz wurde der Forschungsprozess im TeQfor1-Projekt so gestaltet, dass er den beteiligten Menschen mit Typ-1-Diabetes die Basis schafft, eigene Forschungsfragen zu untersuchen, sich über ihre eigenen Kriterien von Lebensqualität auszutauschen und ihnen ein Spektrum an (empirischen) Methoden anzubieten, an dem sie sich bedienen können.
Das bedeutete einerseits, dass die Bürgerwissenschaftlerinnen und wissenschaftler jederzeit auf die Expertise der akademisch Forschenden zugreifen und sich zu aufkommenden methodischen und anderen Fragen zur Beurteilung der DIY-APS beraten lassen konnten. Die akademisch Forschenden waren in diesem Sinne lediglich die ‚Instanz‘, die die wissenschaftliche Qualität wie die Validität der Methoden sicherstellt. Andererseits folgte aus dem ko-kreativen Ansatz für das Projekt, dass erst im Forschungsprozess mit den Bürgerinnen und Bürgern die genauen Zielsetzungen festgelegt werden sollten.
Das Projekt wurde durch die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren gefördert.
PEAK: Patienten Experten-Akademie für Tumorerkrankungen
Der nationale Patientenbeirat sowie Medizinerinnen und Mediziner des im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs (NDK) erweiterten Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT) haben die Patienten Experten-Akademie für Tumorerkrankungen (PEAK) konzipiert und bereits erste Module und Einzelkurse pilotiert. Die Akademie wird seit Sommer 2021 (zunächst als Pilot und punktuell) von Patientenvertretenden, Medizinerinnen und Medizinern und anderen Fachleuten kooperativ mit finanzieller Unterstützung des BMBF betrieben. Gemeinsam werden praxisnahe und patienten-orientierte Kursangebote entwickelt und durchgeführt, die Patientenvertretende darauf vorbereiten, ihre gelebten Erfahrungen und ihre Expertise in das deutsche Gesundheitssystem einzubringen. Dies soll künftig per Online- und Präsenz-Kursen in vier zentralen Bildungsbereichen erfolgen:
1. Patienten als Forschungspartner,
2. Leitung, Aufbau & Entwicklung von Patienten-Strukturen,
3. Evidenz-basierte Interessenvertretung sowie
4. Mitgestaltung digitaler Gesundheit.
Wichtig: Die Akademie wird nicht nur Teilnehmenden der NCT-Standorte offenstehen, sondern allen interessierten Patienten- und Selbsthilfevertretenden der deutschen Onkologie-Szene.
PEAK soll einen wesentlichen Beitrag leisten hin zu einem Gesundheitssystem, in welchem die frühe Beteiligung von Patientinnen und Patienten sowie ihren Vertretern - auf Augenhöhe - in allen Bereichen der Onkologie selbstverständlich ist.
Patientenvertretung im Wissenschaftlichen Beirat des Deutschen Zentrums für Lungenforschung
Der international besetzte Wissenschaftliche Beirat ist das wichtigste Beratungsgremium des Deutsche Zentrums für Lungenforschung (DZL). Alle strategischen Entscheidungen rund um die Forschung und Entwicklung im DZL werden mit diesem Gremium abgestimmt.
Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat ist auch Dr. Pippa Powell. Sie ist die Direktorin der European Lung Fundation, einer patientengeführten Organisation, die europaweit Betroffene und die interessierte Öffentlichkeit mit ExpertInnen aus dem Gesundheitssystem zusammenbringt, um so die Lungengesundheit zu verbessern.
Im Wissenschaftlichen Beirat des DZL bringt Powell die Perspektive der Patient:innen aktiv in die Entscheidungen zu zukünftigen Forschungsprojekten ein. So geht es Betroffenen beispielsweise nicht nur darum, wie ein neues Medikament oder eine neue Therapie medizinische Parameter ihrer Krankheit verbessert, sondern vor allem um die eigene Lebensqualität. Auch die praktische Umsetzbarkeit einer Therapie im normalen Alltag spielen eine große Rolle.
Bereits seit 2016 bringt Powell die Patientenperspektive in die Forschung des DZL ein und stellt sicher, dass Betroffenen Gehör verschafft wird und ihre Anliegen in der wissenschaftlichen Praxis mit bedacht werden.
Patientenforen für den gegenseitigen Austausch
Betroffenen und ihren Angehörigen ist der Zugang zu neuesten Erkenntnissen über ihre Erkrankung und aktuelle Therapiemöglichkeiten sehr wichtig. An allen fünf Standorten des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL), inklusive des Lungeninformationsdienstes, werden deshalb regelmäßig Patientenforen für den Austausch mit wissenschaftlich tätigen Ärzt:innen des DZL angeboten.
Die Patientenforen sind keine Einbahnstraße, Informationen fließen nicht nur von den Experten zu den Erkrankten. Aus den Diskussionen und Fragerunden entstehen für die Forschenden neue Einblicke in die Bedürfnisse, Probleme und Wünsche der Betroffenen. Der Austausch ist essenziell, damit z. B. Therapien entwickelt werden, die sich besser in den Alltag integrieren lassen oder dass Zusatzangebote so gestaltet werden, dass sie die Lebensqualität verbessern.
Nehmen Sie als Betroffene aktiv an diesen Veranstaltungen teil und gehen in den Austausch mit den Wissenschaftlern. Ihre Perspektive ist wichtig und wird gehört.
Trialogischer Zentrumsrat des DZPG
Der Trialogische Zentrumsrat setzt sich aus bis zu zwei Vertreterinnen und Vertretern für Betroffene, Angehörige und Forschende pro Standort zusammen und umfasst insgesamt maximal 36 Personen. Der Zentrumsrat war von Anfang an in die Konzeptentwicklung des DZPG eingebunden und beteiligt sich an sämtlichen Infrastrukturen, Forschungsprojekten und Arbeitsgruppen.
Der Rat hat das Ziel, den Weg zu psychischer Gesundheit patientenorientiert und patientensensibel zu gestalten, die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen zu überwinden und die Beteiligung der Betroffenen voranzutreiben. Der Zugang und die Versorgung im Bereich psychischer Gesundheit sollen gezielt erleichtert und verbessert werden. Knüpfen neue Erkenntnisse in Früherkennung und Behandlung an der Lebenswelt von Betroffenen und Angehörigen an, kann sich deren Leben deutlich verbessern.