10. Juli 2025

Multiresistente Keime: Entwicklung neuer Antibiotika

#DZIF

Immer mehr Bakterien trotzen selbst modernen Antibiotika – mit potentiell tödlichen Folgen. Besonders gefährlich wird es bei sogenannten multiresistenten Keimen, gegen die gleich mehrere Antibiotika nicht mehr wirken. Ein deutsch-französisches Forschungsteam will das ändern: Mit neuartigen Naturstoffen, die das für Bakterien lebenswichtige Enzym DNA-Gyrase auf bisher unbekannte Weise blockieren, sollen selbst multiresistente Erreger wie Tuberkulosebakterien und Gonokokken bekämpft werden.

Antibiotikaresistenzen zählen zu den aktuell größten Herausforderungen der Medizin. Multiresistente Keime, die auch mit modernen Antibiotika nicht mehr in den Griff zu bekommen sind, erschweren zunehmend die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit bakteriellen Infektionen.

Gemeinsam mit dem renommierten Institut Pasteur in Paris untersuchen Forschende aus Köln und Saarbrücken, wie neuartige Naturstoffe gefährliche Erreger wie Tuberkulosebakterien oder Gonokokken (verantwortlich für die sexuell übertragbare Krankheit Gonorrhoe) stoppen können – selbst, wenn diese bereits gegen gängige Medikamente resistent sind.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die französische Agence Nationale de la Recherche (ANR) fördern ab sofort das Projekt „Charakterisierung neuartiger Naturstoffbindestellen in der DNA-Gyrase von multiresistenten Mycobacterium tuberculosis und Neisseria gonorrhoeae (NaPGyr)“, in dem ein neues Konsortium zur Entwicklung von Antibiotika gegen multiresistente Bakterien forscht. Mit dabei sind die beiden Wissenschaftler Prof. Jan Rybniker und Prof. Rolf Müller vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).

Im Mittelpunkt der Forschung steht die DNA-Gyrase – ein für Bakterien lebenswichtiges Enzym. Es hilft, die Erbinformation (DNA) der Bakterien zu vervielfältigen. Ohne funktionierende Gyrase können sich Bakterien nicht vermehren. Zwei Naturstoffe, Cystobactamide und Corramycine, blockieren die DNA-Gyrase auf neuartige Weise. Sie wirken auch gegen resistente Bakterien, da sie neue Bindestellen am Enzym nutzen, die von anderen Antibiotika nicht erreicht werden. Dadurch besteht keine Kreuzresistenz mit bekannten Antibiotika. Im Projekt NaPGyr untersucht das deutsch-französische Team diese neuartigen Bindestellen nun genauer.

„Gyrasen sind als möglicher molekularer Angriffspunkt schon lange Zeit Gegenstand intensiver Forschung, was zur Entwicklung einiger initial gut wirksamer Antibiotika geführt hat, die als sogenannte Gyrasehemmer bezeichnet werden. Allerdings haben Bakterien gegen die bestehenden Wirkstoffe bereits verschiedenartige Mechanismen entwickelt, um sich zu schützen und somit resistent zu werden. Aus vorherigen Forschungsarbeiten ist bekannt, dass die beiden Naturstoffklassen Cystobactamide und Corramycine die DNA-Synthese insbesondere von Neisseria gonorrhoeae und von Mycobacterium tuberculosis effizient hemmen und so zum raschen Zelltod der Bakterien führen“, erklärt Prof. Rybniker.

Molekularer Angriffspunkt dieser beiden Stoffklassen sind wiederum bakterielle Topoisomerasen, zu denen auch die DNA-Gyrase zählt. Im Rahmen von NaPGyr sollen die von Cystobactamiden und Corramycinen adressierten neuartigen Bindestellen an der DNA-Gyrase strukturell charakterisiert werden.

Obwohl die Substanzen in der Petrischale bereits hochaktiv sind, sollen sie nun so verändert werden, dass sie im Körper auch in ausreichenden Mengen an die Infektionsherde gelangen, zum Beispiel in die Lunge. Die Kenntnis über die molekularen Interaktionen und den Wirkmechanismus werden hierbei zum einen das Design wie auch die Synthese weiterer und verbesserter Derivate ermöglichen, die dann für die Anwendung als Antibiotika in der Therapie von Infektionskrankheiten angewendet werden können.

Quelle: DZIF

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Elektronenmikroskopische Aufnahme von Mycobacterium tuberculosis.| © CDC/Alissa Eckert; James Archer