Erhöhtes Demenzrisiko: Wenn der „Kompass im Gehirn“ hakt
Bei Menschen mit erhöhtem Risiko für Alzheimer kann die Fähigkeit zur räumlichen Orientierung beeinträchtigt sein. Dies zeigt eine Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) mit rund 100 älteren Erwachsenen, die ihre Position in einer virtuellen Umgebung bestimmen sollten. Probanden mit „subjektiven kognitiven Beeinträchtigungen“ (SCD) – dem Gefühl, dass das Gedächtnis nachlässt, obwohl Standardtests keine Auffälligkeiten zeigen – schnitten dabei schlechter ab als die Vergleichsgruppe.
Forschende interessieren sich seit einigen Jahren zunehmend für SCD. Es ist erwiesen, dass Menschen mit dieser Symptomatik ein erhöhtes Risiko haben, im späteren Leben eine Alzheimer-Demenz zu entwickeln. SCD steht für „subjektive kognitive Beeinträchtigungen“ (englisch „Subjective Cognitive Decline“). In einem Experiment statteten Forschende vom DZNE-Standort Magdeburg 102 ältere Frauen und Männer im Alter zwischen 55 und 89 Jahren mit Virtual-Reality-Brillen aus und testeten ihre Orientierungsfähigkeit. 30 Teilnehmer hatten SCD.
Die Ergebnisse zeigten, dass Personen mit SCD weniger präzise navigierten, obwohl ihre Bewegungen normal waren. Mithilfe mathematischer Modelle konnten die Forschenden nachvollziehen, dass die Schwierigkeiten auf fehlerhafte Erinnerungen an bereits durchlaufene Positionen zurückzuführen sind – ein Phänomen, das als Memory Leak bezeichnet wird. SCD kann also mit subtilen Orientierungsprobleme einhergehen – die schlechtere Orientierung könnte damit ein frühes Anzeichen für neurodegenerative Veränderungen sein.
Die Versuchspersonen bewegten sich in einer digitalen Landschaft ohne sichtbare Orientierungspunkte und mussten ihre Position allein anhand von Bewegungen und Körperwahrnehmung bestimmen. Diese Fähigkeit, Pfadintegration genannt, beruht auf speziellen neuronalen Netzwerken im entorhinalen Cortex – einem Hirnbereich, der früh von Alzheimer betroffen ist. „Wir tragen gewissermaßen einen Kompass im Kopf“, erklärt Prof. Thomas Wolbers, Forschungsgruppenleiter am DZNE-Standort Magdeburg.
„Da es in dieser virtuellen Welt keine visuellen Fixpunkte gab, konnte man sich nur mithilfe des Navigationssystems im Gehirn orientieren. Genau diese Fähigkeit wollten wir auf die Probe stellen“, erläutert Dr. Vladislava Segen, Erstautorin der Studie. Die Ergebnisse zeigten, dass die Orientierungsprobleme nicht motorischer, sondern kognitiver Natur waren: Um die eigene Position während der Bewegung korrekt einzuschätzen, muss man sich kontinuierlich an frühere Positionen erinnern. Bei Menschen mit SCD war diese Art der Erinnerung gestört (Memory Leak).
„Unsere Befunde zeigen erstmals, dass SCD mit messbaren Orientierungsproblemen einhergehen kann", so Prof. Wolbers. Langfristig könnte dies empfindlichere Testverfahren für die Frühdiagnostik von Alzheimer ermöglichen – sowohl für klinische Studien als auch für zukünftige Routinetests.“ Die Forschenden planen, diesen Ansatz weiterzuentwickeln und mit Biomarkern für Alzheimer zu kombinieren, um frühe Krankheitsstadien noch präziser zu erkennen.
Quelle: DZNE


© DZNE / Sarah Kossmann








