Neue Studie: Wie entstehen insulinproduzierende Beta-Zellen?
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Henrik Semb, Direktor des Instituts für Translationale Stammzellforschung beim DZD-Partner Helmholtz Munich, hat neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie unreife Zellen der Bauchspeicheldrüse ihre Entwicklung steuern – ob sie sich zu insulinproduzierenden Beta-Zellen oder glukagonproduzierenden Alpha-Zellen ausbilden. Diese Entdeckung könnte die Entwicklung neuer Diabetes-Therapien und Ansätze in der regenerativen Medizin vorantreiben.
Eine der wichtigsten Fragen in der Biologie ist, wie externe Signale das künftige Verhalten einer Zelle steuern. Diese Studie zeigt, wie die apikal-basale Polarität* eine entscheidende Rolle dabei spielt, ob sich unreife Zellen der Bauchspeicheldrüse in Betazellen oder Alphazellen differenzieren, die den Blutzuckerspiegel maßgeblich regulieren. Die Forschenden fanden heraus, dass Veränderungen der Zellpolarität diesen Entscheidungsprozess beeinflussen.
Zellpolarität diktiert die Zellentwicklung
Die Erstautoren Ulf Tiemann und Chenglei Tian verwendeten ein neuartiges menschliches Stammzellsystem und fortschrittliche Werkzeuge wie Einzelzell-RNA-Sequenzierung und Geninaktivierung, um die molekularen Mechanismen zu identifizieren, die diesen Prozess steuern. Sie entdeckten, dass polarisierte unreife Zellen der Bauchspeicheldrüse einen spezifischen molekularen Weg nutzen, um die Konzentration von cAMP (zyklisches Adenosinmonophosphat) zu erhöhen, einem Signalmolekül, das externe Signale zur Regulierung der Genaktivität überträgt. Mehr cAMP in den Zellen hemmt die Aktivität eines Gens namens ARX, das mit der Entwicklung von Alphazellen verbunden ist, was zur Entstehung von Betazellen führt. Verlieren die Zellen dagegen ihre Polarität, sinkt der cAMP-Spiegel, das ARX-Gen bleibt aktiv, und die Zellen werden in Richtung Alphazellen gelenkt.
Fortschritte bei der Erforschung der Zellentwicklung in anderen Organen
Die Anwendung ähnlicher Analysen auf andere sich entwickelnde Organe könnte analoge oder völlig neue extrinsische Signale aufdecken, die die Entwicklung der Zelle bestimmen. "Unsere Ergebnisse zeigen, wie externe Signale die Zellidentität beeinflussen, und ähnliche Mechanismen könnten auch in anderen Organen, wie zum Beispiel dem Gehirn, eine Rolle spielen", erläutert Chenglei Tian.
Potenzial für regenerative Medizin und Diabetes-Therapien
Das Verständnis dafür, wie unreife Zellen der Bauchspeicheldrüse entscheiden, ob sie zu Beta- oder Alpha-Zellen werden, eröffnet neue Möglichkeiten für Diabetes-Therapien. Durch die Manipulation dieser zellulären Prozesse konnten die Forschenden nachweisen, dass die Methoden zur Bildung neuer Betazellen aus Stammzellen verbessert werden können, was möglicherweise zu wirksameren oder sogar heilenden Behandlungen von Menschen mit Diabetes führen könnte.
„Diese Entdeckung gibt uns ein besseres Verständnis dafür, wie wir die Entwicklung von insulinproduzierenden Betazellen steuern können, was dazu beitragen könnte, bessere Behandlungen für Diabetes zu entwickeln“, sagt Henrik Semb, wissenschaftlicher Leiter der Studie.
*Apikal-basierte Polarität bezieht sich auf die organisierte Struktur innerhalb einer Zelle, die ihre obere (apikale) Seite von ihrer unteren (basalen) Seite unterscheidet. Diese Polarität ist entscheidend für die ordnungsgemäße Funktion und Positionierung der Zelle.
Originalpublikation: Pancreatic alpha and beta cell fate choice is directed by apical-basal polarity dynamics. Tiemann, U., Chenglei, T., Hermann, F. et al. Developmental Cell. 2025.
Quelle: DZD


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