8. April 2025

    Erhöhtes Risiko für Demenz? Studie prüft digitale Gedächtnistests für den Hausgebrauch

    #DZNE

    Ein Gedächtnistest per App soll Ärzte bei der Früherkennung von Demenz unterstützen. Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) testet gemeinsam mit etwa 30 Facharztpraxen, ob Gedächtnistests auf Mobilgeräten dabei helfen können, erste Anzeichen von Demenz wie leichte kognitive Beeinträchtigungen früher zu erkennen. Dafür wird eine App des Start-ups neotiv aus Magdeburg genutzt. Die Ergebnisse aus der App unterstützen die Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose. Das Pharmaunternehmen Lilly Deutschland GmbH unterstützt die Studie mit 1,3 Millionen Euro.

    „Leichte kognitive Beeinträchtigungen“ – kurz MCI (für Mild Cognitive Impairment) – beschreiben Probleme wie nachlassendes Gedächtnis oder Konzentrationsschwierigkeiten. Diese ersten Anzeichen können Vorboten einer Demenz sein. „Menschen mit MCI haben messbare kognitive Defizite, sind im Alltag aber wenig eingeschränkt“, erläutert Prof. Stefan Teipel, Demenzforscher am DZNE-Standort Rostock/Greifswald. „Es wird immer wichtiger, MCI rechtzeitig zu erkennen. Denn Menschen mit MCI haben ein erhöhtes Risiko für Demenz und neuartige Medikamente deuten sich an, die zumindest im Fall einer zugrundeliegenden Alzheimer-Krankheit den Krankheitsverlauf verzögern können, vorausgesetzt, die Behandlung beginnt frühzeitig. Untersuchungen zeigen gleichwohl, dass im Rahmen der medizinischen Grundversorgung weniger als zehn Prozent der MCI-Fälle erkannt werden. Wir müssen bei der Frühdiagnostik also besser werden.“

    Testung zu Hause – Diagnose in der Praxis

    In der aktuellen Versorgungsstudie wird untersucht, ob digitale Tests auf einem Mobilgerät niedergelassenen Fachärzten bei der Erkennung einer MCI helfen können. „Für die Diagnose von MCI gibt es bewährte Verfahren. Doch häufig sind diese Verfahren in der ambulanten Versorgung nicht ausreichend etabliert, sodass eine ergänzende digitale Testung hilfreich sein kann. Zumal sich diese bequem und selbstständig zu Hause durchführen lässt. In unserer Studie untersuchen wir diesen Ansatz mithilfe einer speziellen App. Sie ist ein digitales Medizinprodukt, das ärztlich verschrieben wird“, sagt Teipel.

    Diese App läuft auf Smartphones und Tablets und fordert einmal pro Woche zu einem interaktiven Gedächtnistest auf. Im aktuellen Forschungsprojekt geschieht dies über einen Zeitraum von insgesamt drei Monaten, wobei ein einzelner Test rund 20 Minuten in Anspruch nimmt. „Die App generiert ein Protokoll der Testergebnisse, das die Ärztin beziehungsweise den Arzt bei der Diagnosestellung unterstützt. Die App selbst erstellt keine Diagnose“, so Teipel.

    Nutzen in der Regelversorgung

    Die App mit dem Namen „neotivCare“ wurde vom Magdeburger Start-Up „neotiv“ auf der Grundlage langjähriger Forschung des DZNE entwickelt und ist als Medizinprodukt zugelassen. „In vorherigen Studien wurde bereits nachgewiesen, dass diese App Gedächtnisprobleme erkennen kann. In unserem Fall geht es nun um den Einsatz in der Regelversorgung. Wir wollen ermitteln, welchen Nutzen diese Art der Testung in der Praxis hat. Konkret, ob Verdachtsfälle auf MCI damit schneller erkannt und abgeklärt werden“, so Prof. Emrah Düzel, Demenzforscher am DZNE-Standort Magdeburg und Mitentwickler der App.

    Unterstützt wird das Projekt von der Lilly Deutschland GmbH mit einer Fördersumme von 1,3 Millionen Euro über zwei Jahre. Das US-amerikanische Unternehmen arbeitet bereits seit mehr als 35 Jahren an diagnostischen und therapeutischen Lösungen für Menschen mit Alzheimer-Krankheit.

    Mehrstufiges Verfahren

    Innerhalb von knapp zwei Jahren will das Forschungsteam um Teipel und Düzel etwa 300 Probanden mit kognitiven Auffälligkeiten in die Studie einschließen. In den teilnehmenden Praxen werden diese Personen zunächst nach herkömmlicher Methodik getestet und ihre kognitive Situation durch die zuständige Ärztin beziehungsweise Arzt beurteilt. Danach folgt die Testung mit der App. „Bei Verdacht auf MCI erfolgt im Allgemeinen eine Überweisung an eine Gedächtnisambulanz zur endgültigen Abklärung. Das ist die Vorgehensweise in der Regelversorgung. Wir möchten herausfinden, ob digitale Tests diesen Prozess in sinnvoller Weise unterstützen“, erläutert Teipel. „Insbesondere geht es darum, ob die Ergebnisse der digitalen Testung die ursprüngliche Diagnose und somit die Notwendigkeit einer Überweisung verändern oder nicht. Die Entscheidung trifft die betreuende Ärztin beziehungsweise Arzt aufgrund eigener Erfahrung und Expertise. Darüber hinaus geht es darum zu verstehen, welche Barrieren für den Einsatz digitaler Technologien Ärzte und Patienten wahrnehmen.“

    Im nächsten Schritt werden alle Probanden in einem Studienzentrum des DZNE oder in einer Ambulanz aus dem Deutschen Netzwerk Gedächtnisambulanzen noch genauer untersucht. Die daraus folgende Diagnose gilt als Maßstab. „Anhand der verschiedenen Befunde wird sich zeigen, wie gut ein digitaler Test dabei helfen kann, MCI korrekt und frühzeitig zu erkennen – und wo Hindernisse für einen Einsatz in der Regelversorgung bestehen. Die Studienergebnisse sollten 2027 vorliegen“, so Teipel.“

    Transparenzhinweis: Emrah Düzel, Demenzforscher am DZNE, ist auch Mitgründer und Chief Medical Officer von „neotiv“.

    Quelle: DZNE

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