Die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren hat die Überlebensrate von Personen mit schwarzem Hautkrebs (Melanom) im fortgeschrittenen Stadium deutlich verbessert. Ob Patientinnen und Patienten auf die Therapie ansprechen, kann allerdings erst etwa drei Monate nach Therapiebeginn durch radiologische Bildgebung überprüft werden. Ein recht neuer Bluttest ‒ die Liquid Biopsy ‒ kann schon deutlich früher Hinweise darauf liefern, ob der Tumor zurückgeht. In einer Studie konnten Forschende aus Tübingen zeigen, dass die Liquid Biopsy eine aufwendige radiologische Diagnostik bei Hautkrebs ergänzen kann.
Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) sind Antikörper, die das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen den Krebs stärken. Seit der Zulassung der ICI für die Behandlung von fortgeschrittenem schwarzem Hautkrebs hat sich die zehn Jahres Überlebensrate von Patientinnen und Patienten mehr als verdoppelt. Nicht nur inoperable Metastasen können mit ICI behandelt werden. Seit wenigen Jahren werden ICI auch nach der operativen Entfernung von Hochrisikomelanomen oder Metastasen angewendet. Das Risiko für ein Wiederauftreten der Erkrankung (Rezidiv) kann so minimiert werden.
ICI können als Nebenwirkung allerdings ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen. Denn die natürliche Bremse des Immunsystems wird gelöst, Immunzellen können dann auch das körpereigene Gewebe oder gesunde Organe angreifen. Da zudem nur etwa jeder zweite Patient und jede zweite Patientin auf die Therapie anspricht, ist es wichtig, möglichst früh zu erkennen, bei wem die Therapie wirkt und bei wem nicht. Um festzustellen, ob und wie sich der Krebs entwickelt, wird eine Staging-Diagnostik mittels Ganzkörper-Computertomographie (CT) oder PET-CT durchgeführt. Im Gegensatz zum herkömmlichen Ganzkörper-CT können beim PET-CT zusätzliche Informationen über die Stoffwechselaktivität des Tumorgewebes erfasst werden. ICI brauchen Zeit, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Ob das Tumorgewebe auf die Therapie anspricht, wissen Ärztinnen und Ärzte daher erst etwa drei Monate nach Therapiebeginn.
Parallel zur Staging-Diagnostik haben Forschende aus Tübingen, darunter vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), deshalb in einer Studie ein Monitoring mit einem neuen Verfahren, der sogenannten Liquid Biopsy, durchgeführt ‒ ein Bluttest, mit dessen Hilfe im Körper zirkulierende Tumor-DNA erfasst und ausgewertet werden kann. Routinemäßig wird die Liquid Biopsy bereits bei Brust- und Lungenkrebs durchgeführt. Beim schwarzen Hautkrebs wird die Liquid Biopsy derzeit nur in Einzelfällen angewendet und wird in der Routineversorgung nicht von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Doch die Liquid Biopsy wird immer relevanter. „Im Gegensatz zum PET-CT ist sie deutlich kostengünstiger und kann mehrfach in kurzer Zeit wiederholt werden, zum Beispiel monatlich. Bereits wenige Wochen nach Therapiebeginn mit ICI zeigt der Test, ob die Menge an Tumor-DNA im Blut zurückgeht oder zunimmt“, erklärt Prof. Dr. Andrea Forschner, Leiterin der Melanomambulanz an der Universitäts-Hautklinik Tübingen. Gemeinsam mit Dr. Christopher Schroeder vom Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik hat Forschner in einer Studie untersucht, ob die Liquid Biopsy anzeigt, dass Patientinnen und Patienten auf die ICI ansprechen. „Wir wollten wissen, wie zuverlässig die Liquid Biopsie anzeigt, dass die Therapie wirkt – beziehungsweise Rezidive entdeckt werden können“, erklärt Forschner. Neue bioinformatische Analysemethoden, entwickelt in der Gruppe von Prof. Dr. Stephan Ossowski vom Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik, machen dabei die Identifikation geringster Mengen an Tumor-DNA im Blutplasma möglich.
Die Hälfte der fortgeschritten metastasierten Melanompatientinnen und -patienten mit inoperablen Metastastasen lebt nach der Diagnose durch die ICI-Therapie noch länger als zehn Jahre. Mittlerweile gibt es einige Patientinnen und Patienten, bei denen sogar alle Metastasen verschwinden. „Die Strahlenbelastung durch radiologische Diagnostik sollte deshalb so gering wie möglich gehalten werden, um das Risiko für langfristige Folgeschäden zu minimieren“, betont die Melanomforscherin Forschner. Die Ergebnisse der Studie wurden nun in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
In der Studie verwendete das Studienteam ein neues Verfahren der Liquid Biopsy, das an 87 Melanompatientinnen und -patienten alle paar Wochen durchgeführt wurde. Hierbei wurde nicht nur eine einzelne genetische Veränderung des Tumors im Bluttest untersuchten, sondern bis zu 30 unterschiedliche. „Mit der neuen Methode war es möglich, auch sehr geringe Mengen von Tumor-DNA im Blut zu erfassen, was insbesondere bei der regelmäßigen Kontrolle möglicher Rezidive wichtig ist“, erklärt Schroeder. Die Ergebnisse der Liquid Biopsies wurden mit denen des PET-CTs verglichen.
„Wir konnten zeigen, dass sich durch eine regelmäßige Liquid Biopsy früher als im PET-CT sagen lässt, ob ein Patient oder eine Patientin auf die ICI anspricht oder nicht“, erklärt Forschner. Insbesondere Patientinnen und Patienten, die nicht auf die ICI-Therapie ansprechen, aber Nebenwirkungen entwickeln, könnten so früher auf andere Therapien umgestellt werden. Alle tumorfreien Patientinnen und Patienten, bei denen die Entwicklung eines Rezidivs überwacht wurde, blieben im Studienzeitraum sowohl in der Liquid Biopsy als auch im PET-CT negativ, was auf eine hohe Zuverlässigkeit der Liquid Biopsy hinweist. Diesen Patientinnen und Patienten könnte durch den Bluttest zukünftig eine eng getaktete radiologische Diagnostik erspart werden, bei auffälligen Liquid Biopsies könnte frühzeitig eine radiologische Diagnostik angeboten werden.
Derzeit arbeitet das Studienteam daran, das Monitoring mittels Liquid Biopsy in weiteren Studien zu prüfen, um es zukünftig bei allen Melanompatientinnen und -patienten anwenden zu können. Zudem müsste das Monitoring von den Krankenkassen erstattet werden. Aktuell ist die Finanzierung, abgesehen von Einzelfällen, nur über Forschungsgelder möglich. Die Studie wurde durch Fördergelder der Stiftung Immunonkologie refinanziert.
Originalpublikation: Tumour-informed liquid biopsies to monitor advanced melanoma patients under immune checkpoint inhibition. Schroeder, C., Gatidis, S., Kelemen, O. et al. Nat Commun 15, 8750 (2024).
Quelle: DKTK
Der Ärzte- und Ärztinnenverband Long COVID und das Bundesgesundheitsministerium laden am 25. November 2024 zum 3. Long-COVID-Kongress nach Berlin ein. Auch Forschungsergebnisse der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung werden vorgestellt. Die Veranstaltung unter Mitwirkung von Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach widmet sich der übergeordneten Frage: „Bedarfsgerechte Versorgung postinfektiöser Erkrankungen – Ein Problem von Generationen?“.
Das Ziel ist der intensive Austausch über jüngste Forschungsvorhaben und ‑ergebnisse, Diagnostikverfahren und Therapieansätze, um die Versorgung von Betroffenen auch in Zukunft weiter zu gewährleisten und zu verbessern. Ein besonderer Schwerpunkt soll in diesem Jahr auf der Forschung und Versorgung bei betroffenen Kindern und Jugendlichen liegen. Teilnehmende des Kongresses können aus verschiedenen Themenräumen wählen, in denen unterschiedliche Forschungsgruppen laufende Vorhaben präsentieren und anschließend diskutieren.
Unter anderem werden vorgestellt: „Diagnostik – Harmonisierung oder Spezialisierung“ sowie „Therapie: was muss man geben, was darf man geben, was kommt demnächst?“ und „Register, Datenmodelle und Datenbanken: Was gibt es? Was braucht es noch?“
Datum: 25. November 2024
Uhrzeit: 9:30 – 18:00 Uhr
Ort: Tagungswerk, Lindenstr. 85, 10969 Berlin
Veranstalter: Ärzte- und Ärztinnenverband Long COVID & Bundesministerium für Gesundheit
Tagungsleitung: Dr. Daniel Vilser, Prof. Dr. Rembert Koczulla
Konferenzsprache: deutsch
Fortbildungspunkte: CME-Punkte bei der Ärztekammer Berlin beantragt
Livestream: Für das Hauptprogramm von 9.30 – 11.00 Uhr und 16.00 – 18.00 Uhr. Ein Link wird rechtzeitig online veröffentlicht.
Anmeldung: https://long-covid-kongress-2024.anmeldung-events.de (Anmeldefrist für Fachteilnehmende: 20.11.2024)
Forschende des DZNE und der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben Personen mit erhöhtem Demenzrisiko anhand von Bewegungsdaten identifiziert, die während einer „Schnitzeljagd“ auf dem Uni-Campus per Smartphone erfasst wurden. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift PLOS Digital Health. Die Studienergebnisse zeigen, dass Smartphone-Daten aus alltagsnahen Situationen zur Früherkennung und Verlaufskontrolle der Alzheimer-Erkrankung beitragen können. Insgesamt 72 Erwachsene nahmen an der Untersuchung teil; rund ein Drittel davon mit subtilen Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit, die als „subjective cognitive decline“ (SCD) bezeichnet werden. Diese Symptomatik ist ein bekannter Risikofaktor für Demenz.
Alzheimer entwickelt sich im Allgemeinen über Jahre hinweg unbemerkt und führt langfristig zur Demenz. Die Erkrankung ist bislang nicht heilbar. „Aktuell wird Alzheimer oft zu spät behandelt, um eine wirksame Therapie zu gewährleisten. Auch die neuen Antikörper-Medikamente, die derzeit viel diskutiert werden, wirken nur, wenn sie frühzeitig verabreicht werden. Daher müssen wir in die Lage kommen, die Krankheit früher zu diagnostizieren, wenn die Symptome noch mild sind. Dazu sind Fortschritte in der Diagnostik nötig“, sagt Dr. Anne Maass, Forschungsgruppenleiterin am DZNE und Gastprofessorin an der Universität Magdeburg. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen erprobte sie nun einen neuartigen Ansatz, um Probleme mit der räumlichen Orientierung – als eines der ersten möglichen Symptome einer Alzheimer Erkrankung – zu erfassen.
„Unsere Studie beruht auf einer Art Schnitzeljagd, bei der vorgegebene Orte gefunden werden mussten. Die Probanden nutzten dafür ein Smartphone, das mit einer speziellen App ausgestattet war, die wir entwickelt haben“, erläutert Dr. Nadine Diersch. Die Neurowissenschaftlerin initiierte das Forschungsprojekt vor einigen Jahren am DZNE und arbeitet heute in der Privatwirtschaft, ist aber als Gastforscherin weiterhin für das DZNE tätig. „Wir haben festgestellt, dass sich über bestimmte Daten aus der App Personen mit erhöhtem Demenzrisiko zuverlässig identifizieren lassen“, sagt sie. „Das zeigt, dass digitale Technologien, wie etwa mobile Apps, ganz neue Möglichkeiten bieten, um die kognitive Leistungsfähigkeit unter alltagsnahen Bedingungen und zugleich niedrigschwellig zu erfassen. Dies könnte in Zukunft helfen, auch kleinste kognitive Veränderungen und damit Vorzeichen von Demenz früher zu erkennen, als es heute geschieht.“
An der Studie nahmen 72 Frauen und Männer im Alter zwischen Mitte zwanzig und Mitte sechzig teil. Unter den insgesamt 48 älteren Probanden waren 23 mit SCD. Menschen mit SCD empfinden einen Verlust an Geisteskraft, der sich mit herkömmlichen neuropsychologischen Tests allerdings nicht nachweisen lässt. Sie entwickeln nicht zwangsläufig eine Demenz, haben jedoch erwiesenermaßen ein erhöhtes Risiko. Alle Probanden erhielten den Auftrag, auf dem medizinischen Campus der Universität Magdeburg selbstständig – mit Hilfe der App – mehrere Gebäude zu finden, während ihre Bewegungsdaten per GPS erfasst wurden. „Alle Teilnehmenden kannten sich ähnlich gut auf dem Uni-Campus aus. Sie waren außerdem alle Smartphone-erfahren, überdies haben wir die Benutzung der App eingeübt,“ erläutert Jonas Marquardt, Erstautor der Studie und Doktorand im Forschungsteam von Anne Maass.
Die Aufgabe wurde von den Probanden unabhängig voneinander durchgeführt. Dabei mussten nacheinander fünf Gebäude aufgesucht werden, die auf einer rund 800 Meter langen Route lagen. Als Taktgeber diente die Handy-App: Sie zeigte eine Straßenkarte mit der aktuellen Position und dem jeweils nächsten Ziel, inklusive Foto. Allerdings verschwand diese Darstellung, sobald sich die Probanden auf den Weg machten. „Die Versuchsteilnehmer mussten sich Straßenbild, Standpunkt und Zielort einprägen und dann ihrem Orientierungssinn und räumlichen Gedächtnis folgen“, so Marquardt. „Wussten sie unterwegs nicht weiter, konnten sie in der App einen Hilfe-Button drücken. Die Karte, ihre Position und das Ziel wurden dann wieder kurz eingeblendet.“ Anhand von GPS-Daten erstellten die Forschenden individuelle Bewegungsprofile und erfassten auch weitere Informationen.
Die fünf Gebäude wurden von den Probanden meist in weniger als einer halben Stunde gefunden. „Die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben insgesamt besser abgeschnitten. Sie sind im Mittel kürzere Wege gegangen und haben die Hilfe-Funktion im Allgemeinen nicht so häufig genutzt wie ältere Probanden“, so Marquardt. Unterschiede zwischen älteren Probanden mit und ohne SCD zeigten sich vor allem in der Anzahl sogenannter Orientierungsstopps. Jonas Marquardt erklärt das so: „Ältere Erwachsene mit SCD haben häufiger kurz angehalten, vermutlich, um sich zu orientieren, als ältere Erwachsene ohne SCD. In unserer Auswertung konnten wir Versuchsteilnehmer mit SCD anhand dieser Daten erkennen.“
Warum Menschen mit SCD gerade hier auffällig sind, ist bislang unklar. „Wir haben festgestellt, dass sie vor allem an Wegkreuzungen eher zögern. Das deutet darauf hin, dass bei ihnen gewisse Entscheidungsprozesse verlangsamt ablaufen. Die Daten lassen aber noch keine eindeutige Aussage zu“, so Nadine Diersch. „Dennoch sind unsere Studienergebnisse ein vielversprechender Machbarkeitsnachweis. Sie zeigen, dass Smartphone-Daten helfen können, subtile Anzeichen eines kognitiven Abbaus in alltagsnahen Situationen zu erfassen.“ Die Wissenschaftlerin sieht darin eine Chance für die Früherkennung von Demenz und frühzeitige Behandlung: „Ich könnte mir vorstellen, dass künftig derartige Apps dabei helfen können, Risikopersonen zu identifizieren und daraufhin zu entscheiden, ob weitere Untersuchungen oder bereits eine Therapie nötig sind.“
Quelle: DZNE
DZHK-Forscher beleuchten in Nature Reviews Cardiology vielfältige Mechanismen im Zusammenspiel von Darmmikrobiom und Thrombosen. Daraus könnten sich neue Ansätze für die Prävention und Behandlung von Thrombosen und damit verbundenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen ergeben.
Eine neue wissenschaftliche Übersichtsarbeit in Nature Reviews Cardiology zeigt, dass das Darmmikrobiom auf mehrere Weisen die Entstehung von Thrombosen beeinflusst. Neben der Produktion von Trimethylamin-N-oxid (TMAO) tragen verschiedene bakterielle Stoffwechselprodukte und Entzündungsprozesse zur Thrombusbildung bei. Ein Beispiel ist die bakterielle Umwandlung von Cholin und Carnitin aus Nahrungsmitteln, wie rotem Fleisch, in TMAO, das bekanntermaßen die Thrombozytenaktivierung fördert.
Darüber hinaus zeigen Studien, dass die Darmmikrobiota die Integrität der Darmbarriere beeinflusst (Commensal bacteria weaken the intestinal barrier by suppressing epithelial neuropilin-1 and Hedgehog signaling | Nature Metabolism). Wenn diese Barriere gestört wird, können endotoxische Substanzen in den Blutkreislauf gelangen und Entzündungsreaktionen auslösen, die zur Thrombosebildung beitragen. Dies führt zu einem erhöhten systemischen Entzündungsniveau, was auch die Gerinnungsneigung des Blutes verstärkt.
Zudem spielen kurzkettige Fettsäuren (SCFAs), die von bestimmten Darmbakterien produziert werden, eine Rolle bei der Regulierung von Entzündungen und der Stabilisierung des Endothels, was wiederum die Gerinnungsprozesse modulieren kann. Ein weiteres Beispiel ist die bakterielle Beeinflussung von Gallensäuren, die den Leberstoffwechsel und die Blutfettwerte verändert. Ungleichgewichte in diesen Mechanismen könnten das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen wie Thrombosen erhöhen.
„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass das Darmmikrobiom weitreichenden Einfluss auf die das Blutgefäßsystem und die Thrombose hat. Durch das Verständnis der mikrobiellen Mechanismen, die Thrombosen begünstigen, eröffnen sich vielversprechende Möglichkeiten für präventive Therapien, die auf die mikrobielle Diversität und die Beeinflussung mikrobieller Metabolite abzielen,“ erklärt Christoph Reinhardt, Letztautor der Studie vom Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz.
Diese Forschungsergebnisse eröffnen neue Perspektiven für therapeutische Maßnahmen, darunter gezielte Probiotika, präbiotische Ernährung oder Medikamente, die den Einfluss spezifischer Bakterien und deren Stoffwechselprodukte auf das Gerinnungssystem regulieren könnten. Diese neuen Ansätze könnten helfen, die Prävention und Behandlung von Thrombosen und damit verbundenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen grundlegend zu verbessern.
Originalpublikation: The gut microbiota in thrombosis. Khuu, M.P., Paeslack, N., Dremova, O. et al. Nat Rev Cardiol. 2024 Sep 17.
Quelle: DZHK
Etablierte Impfstoffe gegen COVID-19 haben bekanntlich den Nachteil, dass die anfangs gute Schutzwirkung relativ schnell nachlässt. Das macht wiederholte Booster-Impfungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist ein am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) entwickelter neuartiger Vektorimpfstoff interessant, der im Tiermodell eine anhaltende Immunantwort über deutlich längere Zeiträume zeigt. Ein weiteres Plus: Das Vehikel – der Vektor – mit dem die Information für das Spikeprotein des Coronavirus im Impfstoff transportiert wird, ist ein tierisches Zytomegalievirus (MCMV; engl.: murine cytomegalovirus), das dem Menschen nicht gefährlich werden kann.
Im Jahr 2022 haben Forschende der Abteilung „Virale Immunologie“ unter der Leitung von Prof. Luka Cicin-Sain am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung erstmals über den neuartigen Vektorimpfstoff berichtet. Das sich bereits damals abzeichnende vielversprechende Profil der MCMV-basierten Vakzine hat sich inzwischen bestätigt. Eine aktuelle Veröffentlichung, an der weitere nationale und internationale Forschungseinrichtungen wie das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), das Max Delbrück Center in Berlin und die Universität Rijeka in Kroatien beteiligt waren, untermauert im Mausmodell die lang anhaltende und breit gefächerte Immunantwort.
Die Verwendung eines tierischen Zytomegalievirus als Vektor ist ein geschickter Schachzug. Bei Vektorimpfstoffen werden Viren als Vehikel benutzt, um Bausteine des Erregers, gegen den die Impfung gerichtet ist, in den menschlichen Körper einzuschleusen. Bei Impfstoffen gegen COVID-19 wird in die Vektorviren das Gen für den Bauplan des Spikeproteins integriert, mit dem sich das Coronavirus an den Wirtszellen verankert.
Viele Menschen machen sich Sorgen, dass ihnen Vektorviren in Impfstoffen gefährlich werden könnten. Menschliche Viren, die als Vektoren genutzt werden, müssen tatsächlich erst entschärft werden. Das MCMV jedoch kann man so verwenden, wie es ist. Zytomegalieviren sind nämlich in hohem Maß wirtsselektiv. Das heißt, das MCMV infiziert die Maus, im Menschen jedoch kann es sich nicht vermehren, wie zwei der Erstautoren, Dr. Kristin Metzdorf und Dr. Henning Jacobsen, erläutern. Unter anderem deshalb sei das MCMV als Vektor für Impfstoffe geradezu ideal.
Das ganz große Plus sehen die Forschenden in der lange andauernden Impfantwort, die sich mit dem MCMV-Impfstoff nach nur einer Dosis erzielen lässt. Am Tiermodell wurde nachgewiesen, dass die Konzentration von Antikörpern, die im Fall einer späteren Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für die Erregerabwehr verfügbar sind, über einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Impfung stabil bleibt. Ergebnisse von Forscherkollegen und -kolleginnen aus der Universität Rijeka in Kroatien sprechen dafür, dass die Schutzwirkung sogar noch länger vorhält.
Bei der Bekämpfung von Krankheitserregern fährt das Immunsystem zweigleisig: Zum einen bilden sich hochspezifische Antikörper, die gegen bestimmte Strukturen des Angreifers gerichtet sind und diesen unschädlich machen. Die zweite Schiene besteht in der Mobilisierung ebenfalls spezifischer Immunzellen, die den Erreger in infizierten Zellen erkennen und aktiv bekämpfen. Hier spielen sogenannte CD8+ T-Zellen die zentrale Rolle. Nach einer Impfung mit der neuen Vakzine gegen COVID-19 sind einerseits die frei zirkulierenden Antikörper im Blut dauerhaft erhöht, und andererseits sind auch gegen das Coronavirus gerichtete CD8+ T-Zellen auf Dauer einsatzbereit.
Warum der MCMV-Impfstoff eine vergleichsweise lange Schutzwirkung entfaltet, soll jetzt erforscht werden. Eine Vermutung gibt es bereits: Zytomegalieviren haben die Eigenschaft, sich in ihrem Wirt Nischen zu suchen, wo sie sich verstecken und lange Zeit untätig im Ruhemodus verharren. Erst wenn die Immunabwehr des Wirtsorganismus schwächelt, wechseln sie in den Aktivmodus und können dann Krankheitsanzeichen hervorrufen. Vermutlich versuchen auch die MCMV-Vektorviren, sich im menschlichen Organismus einzunisten, aber weil der Mensch nicht der passende Wirt für sie ist, funktioniert die Reaktivierung nicht. Das menschliche Immunsystem lässt nicht zu, dass Mausviren erneut im Blut auftauchen, und geht gegen sie vor, sobald sie Proteine bilden und noch bevor infektiöse Partikel entstehen. Auf diese Weise, so die These, wird die Immunabwehr wiederholt stimuliert und die Impfwirkung bleibt erhalten.
Und es gibt noch ein weiteres – mit Blick auf die Wandlungsfähigkeit des Coronavirus – interessantes Phänomen: Die Forschenden haben für den neuen Impfstoff das Spike-Gen der allerersten SARS-CoV-2-Variante verwendet. Zunächst werden nach Gabe des MCMV-Impfstoffs erwartungsgemäß spezifische Antikörper gegen dieses ursprüngliche Spikeprotein gebildet. Interessanterweise sind aber einige Zeit nach der Impfung nicht nur Antikörper gegen das Original zu finden, sondern auch Antikörper gegen Proteinvarianten wie zum Beispiel die Omikron-Variante. Wahrscheinlich ist dies auf einen Mechanismus des Immunsystems zurückzuführen, der dazu dient, die Treffsicherheit gegenüber Angreifern durch Mutationen (Erbgutveränderungen) in den zuständigen Abwehrzellen zu steigern. Dass dieser Mechanismus durch den MCMV-Impfstoff besonders gut unterstützt wird, ist laut den Forschenden ein weiterer Vorteil dieser Technologie.
Komplett wird das günstige Rundumprofil des MCMV-Vektors durch seine hohe Kapazität, fremde Gene aufzunehmen. Diese werden gegen Virusgene ausgetauscht, die für die Integrität des Virus nicht zwingend erforderlich sind. Theoretisch sei es möglich, in das MCMV gleichzeitig mehrere verschiedene Gene eines Erregers einzuschleusen und so die Impfwirkung beziehungsweise das Wirkspektrum gegen Varianten zu erhöhen. Auch sei denkbar, mit diesem Vektor Kombinationsimpfstoffe herzustellen, die auf einen Schlag Immunität gegenüber verschiedenen Krankheiten vermitteln. Die kombinierte Impfung gegen COVID-19 und Influenza wäre ein sinnvolles Beispiel.
Originalpublikation: A single-dose MCMV-based vaccine elicits long-lasting immune protection in mice against distinct SARS-CoV-2 variants. Metzdorf, K., Jacobsen, H., Kim, Y. et al. Front. Immunol. 25 July 2024.
Quelle: DZIF
Forschende um DZHK-Wissenschaftler Alexander Bartelt am Klinikum der LMU haben einen neuen Schalter entdeckt, der die Thermogenese in Mitochondrien steuert.
Braune Adipozyten, spezielle Fettzellen, helfen die Körpertemperatur aufrechtzuerhalten und wandeln dafür kalorienreiche Nährstoffe in Wärme um. Das schützt vor Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen. Ein internationales Forscher-Team unter Leitung von Professor Alexander Bartelt vom Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten (IPEK) hat jetzt einen neuen Mechanismus entschlüsselt, wie die Zellatmung der braunen Fettzellen gesteigert werden kann. Die Forschenden erhoffen sich von dieser Entdeckung neuartige Ansätze, um das braune Fett gegen Stoffwechselerkrankungen einsetzen zu können. Die Ergebnisse wurden kürzlich im The EMBO Journal veröffentlicht.
Die Aktivierung der fettverbrennenden Zellen lässt die Pfunde schmelzen. Wenn es kalt wird, holen sich die braunen Adipozyten ihr Brennmaterial aus dem Speicherfett, denn Thermogenese kostet viele Kalorien. „Wer sein braunes Fett durch regelmäßige Kälteexposition trainiert, ist dünner und hat weniger Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen“, sagt Bartelt. Braune Fettzellen sind besonders reich an Mitochondrien, den Kraftwerken, in denen die Zellatmung stattfindet. Wie braune Fettzellen Wärme produzieren und dabei den Stoffwechsel ankurbeln, ist allerdings bislang nicht hinreichend verstanden, um daraus neue Therapien zu entwickeln.
Ein wichtiger Trick der braunen Fettzellen ist das Uncoupling protein-1, das dafür sorgt, dass anstatt ATP, das herkömmliche Produkt der Zellatmung, Wärme erzeugt wird. „Die hohe metabolische Aktivität der braunen Fettzellen muss auch die Produktion von ATP beeinflussen“, so Bartelt, „und wir nahmen an, dass dieser Prozess durch Kälte reguliert sein würde.“ Zusammen mit brasilianischen Kollegen aus São Paulo identifizierten die Forscher den „Inhibitory factor-1“, der dafür sorgt, dass anstelle der Thermogenese die ATP-Produktion aufrechterhalten wird. Wird es kälter, so sinkt der Spiegel des Inhibitory factor-1 und die Thermogenese kann ablaufen. Wird der Inhibitory-factor-1-Spiegel künstlich erhöht, ist die Anpassung an Kälte gestört.
Diese Erkenntnisse wurden in isolierten Mitochondrien, kultivierten Zellen und im Tiermodell gewonnen. „Auch wenn wir ein wichtiges Puzzlestück zum Verständnis der Thermogenese gefunden haben, ist der Weg bis zur therapeutischen Anwendung noch weit“, erläutert Dr. Henver Brunetta, der die Studie maßgeblich betreut hat. Die meisten Menschen nutzen ihr braunes Fett laut den Autoren zu wenig und es ist verkümmert. Die neuen Studienergebnisse zeigen an, dass es molekulare Schalter gibt, die die Mitochondrien der braunen Fettzellen besser arbeiten lassen. Hier wollen Bartelt und Kollegen in Zukunft ansetzen. „Idealerweise finden wir auf unseren Daten basierend neue Wege, die Mitochondrien auch in weißen Fettzellen wieder fit zu machen, denn davon haben die meisten Menschen genug“, hofft Bartelt.
Originalpublikation: IF1 is a cold-regulated switch of ATP synthase to support thermogenesis in brown fat. . 2024 Sep 16.
Quelle: DZHK
Mithilfe von Infrarotlicht und maschinellem Lernen haben Forschende des attoworld-Teams eine Methode entwickelt, den Gesundheitszustand einer Population zu untersuchen. Beteiligt waren Wissenschaftler:innen der Ludwig-Maximilians-Universität München, des Max-Plack-Institus für Quantenoptik sowie das Team der DZD-Professorin Annette Peters vom Helmholtz Zentrum München mit der KORA-Studie.
Ein Blutstropfen, der innerhalb von Minuten weitreichende Gesundheitsinformationen liefert? Einem solchen Ziel sind Forschende um Dr. Mihaela Žigman von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und dem Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) ein Stück nähergekommen. In Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Zentrum München haben sie ein Gesundheitsscreening-Tool entwickelt, das mithilfe von Infrarotlicht und maschinellem Lernen mehrere Gesundheitszustände mit nur einer Messung erkennen kann.
Die Infrarotspektroskopie ist eine Technik, bei der Infrarotlicht zur Analyse der molekularen Zusammensetzung von Substanzen eingesetzt wird. Es ist, als würde man Molekülen einen Fingerabdruck abnehmen. Bei der Anwendung auf komplexe Bioflüssigkeiten wie Blutplasma kann die Technologie detaillierte Informationen über molekulare Signale liefern. Obwohl die Infrarotspektroskopie seit Langem in der Chemie und der Industrie eingesetzt wird, hat sie sich in der medizinischen Diagnostik noch nicht durchgesetzt.
Dieser Aufgabe hat sich nun ein Team von Forschenden der Broadband Infrared Diagnostics Forschungsgruppe (BIRD) im attoworld-Team unter der Leitung von Dr. Mihaela Žigman angenommen. Nachdem die BIRD-Gruppe bereits die Methode zum molekularen Fingerabdruck von menschlichem Plasma entwickelt hat, arbeiteten die Forschenden nun mit dem Team von Professorin Dr. Annette Peters vom Helmholtz Zentrum München zusammen, das eine groß angelegte Bevölkerungsstudie durchgeführt hat. Gemeinsam haben sie das sogenannte Infrarot-molekulare Fingerprinting auf eine diverse Bevölkerung zum ersten Mal angewendet. Dazu wurde das Blutplasma von Tausenden von Teilnehmern im Rahmen der KORA-Studie, einem umfassenden repräsentativen Gesundheitsforschungsprojekt im Raum Augsburg, gemessen.
Mehr als 5.000 Blutplasmaproben wurden so mittels Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie (FTIR) untersucht. Tarek Eissa und Cristina Leonardo vom BIRD-Team der LMU analysierten die Blutproben mit Infrarotlicht, um molekulare Fingerabdrücke zu vermessen. Das Team wandte maschinelles Lernen an, um die Korrelation zwischen den gemessenen molekularen Fingerabdrücken und den medizinischen Daten zu analysieren. Sie entdeckten, dass diese Fingerabdrücke wertvolle Informationen enthalten, die ein schnelles Gesundheitsscreening ermöglichen. Ein mehrstufiger Computeralgorithmus ist nun in der Lage, zwischen verschiedenen Gesundheitszuständen zu unterscheiden, darunter anormale Blutfettwerte, verschiedene Blutdruckveränderungen und Typ-2-Diabetes, aber überraschenderweise auch Prädiabetes, einer Vorstufe des Diabetes, die oft übersehen wird.
Der Algorithmus konnte den Forschenden zufolge sogar Personen herausfiltern, die gesund waren und über den Untersuchungszeitraum von mehreren Jahren gesund blieben. Das ist aus zwei Gründen von Bedeutung: Erstens erleben die meisten Menschen in jeder beliebigen Population anormale gesundheitliche Veränderungen. Da wir alle unterschiedlich sind und uns im Laufe der Zeit verändern, ist es daher alles andere als trivial, völlig gesunde Personen zu identifizieren. Zweitens leiden sehr viele Menschen an mehreren Krankheiten in verschiedenen Kombinationen. Traditionell würden Ärzte für jede Krankheit einen neuen Test benötigen.
Mit dem neuen Ansatz lässt sich jetzt nicht nur eine Krankheit feststellen, sondern eine ganze Reihe von Gesundheitsproblemen und komplexen -zuständen mit mehreren Krankheiten gleichzeitig. Darüberhinaus kann es die Entwicklung des metabolischen Syndroms Jahre vor dem Auftreten von Symptomen vorhersagen und so ein Zeitfenster für Interventionen schaffen.
Die neue Studie legt den Grundstein dafür, dass der molekulare Infrarot-Fingerabdruck in Zukunft zu einem Routinebestandteil von Gesundheitsuntersuchungen werden könnte. Er soll Ärzten ermöglichen, Krankheiten effizienter zu erkennen und zu behandeln. Das ist wichtig bei Stoffwechselstörungen, wie erhöhtem Cholesterin und Diabetes, bei denen frühzeitig getroffene Maßnahmen die Gesundheit erheblich verbessern können.
Die Anwendungsmöglichkeiten dieser Methode könnten noch weiter reichen: In dem Maße, wie die Forscher die Methodik verfeinern und ihre Fähigkeiten durch Technologieentwicklung ausbauen, könnten noch mehr Gesundheitszustände nach klinischer Erprobung in das Diagnoserepertoire aufgenommen werden. Das könnte zu einem personalisierten Gesundheitsscreening führen, bei der der Einzelne regelmäßig seinen Gesundheitszustand überprüfen lässt und potenzielle Probleme erkennt, lange bevor sie ernst werden.
Die Infrarotspektroskopie in Kombination mit dem maschinellen Lernen hat nach Ansicht der Autoren das Potenzial, die Gesundheitsdiagnostik zu verändern. Mit einem einzigen Tropfen Blut und Infrarotlicht, so sagen die Forschenden, stehe ein leistungsfähiges Werkzeug zur Verfügung, die Gesundheit im Auge zu behalten, Probleme effizienter zu erkennen und die Gesundheitsversorgung weltweit zu verbessern.
Originalpublikation: Plasma infrared fingerprinting with machine learning enables single-measurement multi-phenotype health screening. Tarek, E., Cell Reports Medicine. 2024;5(7):101625.
Quelle: DZD
„Stigma beruht darauf, dass eine Person nicht als Individuum beurteilt wird, sondern aufgrund der Eigenschaften, die ihrer Gruppe zugeschrieben werden," erklärt Rüsch. „Typische Meinungen sind zum Beispiel: ‚Psychisch Kranke sind inkompetent, gefährlich oder selbst schuld‘.“ Für die Last der Stigmatisierung hat sich in der Fachwelt der Begriff der „zweiten Krankheit“ etabliert, da sie für Betroffene oft belastender ist als die Erkrankung selbst. Sie kann die Lebensqualität erheblich mindern, indem sie zu sozialer Isolation und verschlechterter Gesundheit bis hin zur Vermeidung einer wirksamen Behandlung führt. Viele Betroffene verinnerlichen die Vorurteile, was man Selbststigma nennt: „Weil ich psychisch krank bin, muss ich inkompetent sein." Das Problem ist riesig: „Eine weltweite Studie, an der auch Deutschland und die Schweiz teilgenommen haben, hat über 1.000 Menschen mit Schizophrenie und etwa 800 Menschen mit Depression befragt. Rund 80 Prozent gaben an, dass sie Stigmatisierung erlebt haben“, so Rüsch. Edmund Bornheimer, Mitglied des Trialogischen Zentrumsrates des DZPG, ergänzt: „Aufgrund der Stigmatisierung kann eine Offenlegung der Krankheit heute immer noch negative Folgen haben. So habe ich das im beruflichen Kontext mehrfach erlebt."
Die Diskriminierung trifft dabei nicht nur die Betroffenen selbst: „Auch die Angehörigen machen nach wie vor schmerzhafte stigmatisierende Erfahrungen im alltäglichen Leben. Insbesondere Nahestehende von schwer psychisch Erkrankten haben dadurch selbst ein erhöhtes Risiko, psychische Gesundheitsprobleme zu entwickeln“, sagt Heike Petereit-Zipfel vom Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BApK) und ebenfalls Mitglied im Trialogischen Zentrumsrat.
Das DZPG hat es sich nicht nur zur Aufgabe gemacht, die psychische Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern, sondern auch das Stigma psychischer Erkrankungen abzubauen. Das Gruppenprogramm „In Würde zu sich stehen“ (IWS) unterstützt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universitätsmedizin Ulm am Bezirkskrankenhaus (BKH) Günzburg Menschen mit psychischen Erkrankungen, eine überlegte Entscheidung darüber zu treffen, ob sie ihre Erkrankung offenlegen oder nicht. Darin liegt eine Schlüsselentscheidung im Umgang mit Stigma und Selbststigma. IWS wird von geschulten Peers, also Menschen mit eigener Krankheitserfahrung, geleitet.
Was die Forschung bereits weiß: Aufklärungskampagnen, die Information über psychische Erkrankungen vermitteln, haben sich beim Abbau von Stigma als wenig effektiv erwiesen. Rüsch verweist auf wirksamere Mittel: „Dazu zählen Programme, die direkten sozialen Kontakt von Menschen mit und ohne psychische Erkrankungen fördern und individuelle Begegnungen ermöglichen.“ Auch bei Arbeitgebern, der Polizei oder in Kliniken könnten solche Programme ein Hebel im Kampf gegen Stigmatisierung sein.
Ein Beispiel für kontaktorientierte Antistigma-Arbeit ist das Programm „BASTA“ an Schulen am DZPG-Standort München-Augsburg. Die teilnehmenden Klassen begegnen bei den Kontaktseminaren zwei Mitgliedern der Initiative: einem, der von seinem Leben mit einer psychischen Erkrankung erzählt, begleitet von einem Behandelnden, der moderiert und fachlich ergänzt. Eine wissenschaftliche Bewertung soll nun feststellen, ob ein solches Programm Vorurteile unter Schülern abbaut. Dies soll auch eine zukünftige Entwicklung des Programms für andere Bevölkerungsgruppen ermöglichen. „Kontaktbasierte Antistigma-Arbeit ist nachweislich wirksam“, erklärt Rüsch.
Quelle: DZPG
Asthma im Kindesalter ist schwer vorherzusagen. Ein neuer Risikoscore gibt jedoch Hoffnung. Prof. Bianca Schaub vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) leitete eine Studie, die molekulare Marker, epidemiologische Faktoren und allergische Symptome kombiniert, um eine präzisere Prognose zu ermöglichen.
Etwa ein Drittel der Vorschulkinder zeigt asthmaähnliche Symptome wie Keuchen oder pfeifende Atmung. Bei 30 bis 40 Prozent dieser Kinder entwickelt sich später Asthma. Eine frühzeitige Identifizierung von Risikokindern ist wichtig, um rechtzeitig und individuell behandeln zu können und schwere chronische Folgeerkrankungen zu verhindern. Bestehende Risikoscores basieren oft auf aktuellen Symptomen wie frühem Keuchen oder allergischer Sensibilisierung und können kindliches Asthma nur schlecht vorhersagen.
Schon bei der Geburt lassen sich im Nabelschnurblut genetische Varianten identifizieren, die mit einer erhöhten Asthmaanfälligkeit verbunden sind. Auch epigenetische Marker, wie chemische Veränderungen an der DNA, können eine Rolle bei der Asthmaentwicklung spielen. Das Team um Prof. Schaub vom DZL-Standort München (CPC-M) entwickelte einen neuen Risikoscore, der diese genetischen Marker mit epidemiologischen Markern wie Geschlecht und familiäre Asthmaerkrankungen kombiniert. Sie bezogen auch Symptome und Diagnosen wie Keuchen, atopische Dermatitis und Nahrungsmittelallergien ein, was die Vorhersagekraft erheblich verbesserte. An dem Projekt beteiligten sich auch Forschende des DZL Standortverbunds BREATH. Die Ergebnisse könnten sowohl für die klinische Praxis als auch für zukünftige Studien von großer Bedeutung sein. Dennoch reicht auch dieser Risikoscore derzeit nicht aus, um in der Praxis angewendet zu werden.
Zukünftige Studien könnten weitere Faktoren wie die Zusammensetzung der Darmbakterien, Stoffwechselprodukte und Proteine im Körper untersuchen, um die Genauigkeit der Vorhersagen weiter zu verbessern.
Originalpublikation: An integrated molecular risk score early in life for subsequent childhood asthma risk. Böck, A., Urner, K., Eckert, J.K., et al. Clin Exp Allergy. 2024;54(5):314-328.
Quelle: DZL
Das Multiple Myelom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen der Immunzellen des Knochenmarks. Bis heute gilt sie als unheilbar. Auch wenn eine Therapie zunächst anschlägt, kehrt der Krebs zurück. Wie sich besonders aggressive Tumorvarianten frühzeitig erkennen lassen, beschreiben Forschende jetzt im Fachmagazin Nature Cancer.
Um schneller und zielgerichteter eingreifen zu können, haben Forschende an Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und Max Delbrück Center zusammen mit weiteren Partnern die Erkrankung umfassend molekular untersucht. Das Team zeigt auf, wie sich Veränderungen im Erbgut auf das Protein-Profil der Tumorzellen und damit auf die Krankheitsmechanismen auswirken.
Das Multiple Myelom ist eine Krebserkrankung, bei der Immunzellen des Knochenmarks, sogenannte Plasmazellen, entarten. Plasmazellen sind für die Produktion von Antikörpern verantwortlich. Jeder Mensch verfügt über eine Vielzahl unterschiedlicher Plasmazellen, die unterschiedliche Antikörper in großer Zahl bilden. So kann der Körper verschiedene Krankheitserreger erkennen und bekämpfen. Im Fall des Multiplen Myeloms entwickelt sich eine einzelne Plasmazelle zur Tumorzelle. Sie vermehrt sich ungehemmt und bildet eine monoklonale Zellpopulation, das heißt, es entstehen viele Zellen, die alle exakt gleich und zunächst genetisch identisch sind. Auch sie produzieren oft Antikörper in großer Zahl oder Bruchstücke von ihnen – jedoch sind diese funktionslos.
Im Verlauf der Krankheit entstehen meist mehrere Tumorherde an vielen Stellen des Knochenmarks, daher der Name: Multiples, also vielfaches, Myelom. Immunschwäche, Nierenversagen, Knochenabbau und Knochenbrüche sind nur einige der Folgen des unkontrollierten Zellwachstums. Trotz therapeutischer Fortschritte und der Einführung neuer zellulärer Immuntherapien gibt es für das Multiple Myelom heute noch keine Heilung. Ein Forschungsteam um Prof. Jan Krönke, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Charité, und Dr. Philipp Mertins, Leiter der Technologieplattform Proteomik von Max Delbrück Center und BIH, hat sich daher auf die Suche nach neuen diagnostischen und therapeutischen Ansätzen begeben.
Jede Krebserkrankung ist anders, so auch beim Multiplen Myelom. Tumorherde entwickeln sich individuell verschieden und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Das erschwert eine Einschätzung des Krankheitsverlaufs und die Wahl der optimalen Behandlung. Während sich veränderte Plasmazellen manchmal nur wenig verbreiten, verhalten sie sich in anderen Fällen äußerst aggressiv, was mit einer schlechten Perspektive für den weiteren Krankheitsverlauf einhergeht.
Was also macht die Verläufe bei Multiplem Myelom so unterschiedlich? Gemeinsam mit Expert:innen für Proteinanalysen des Max Delbrück Center und des BIH haben die Forschenden genetische und molekulare Veränderungen in den Tumorzellen bei einer Gruppe von mehr als einhundert Erkrankten im Detail untersucht. Eingeflossen sind Daten von Patient:innen der Deutschen Studiengruppe Multiples Myelom (DSMM), die am Universitätsklinikum Würzburg koordiniert wird. Die Forschenden konnten somit auch klinische Daten von einheitlich behandelten Patient:innen über einen Zeitraum von acht Jahren und länger nach der Erstdiagnose einbeziehen.
Während für andere Krebsarten die Veränderungen im Genom und ihre Auswirkungen auf das Proteom bereits gut beschrieben sind, ist dies die erste umfangreiche proteogenomische Studie für das Multiple Myelom. „Um die Krankheitsmechanismen aufzuklären, reichen Daten zur Genetik allein nicht aus“, sagt Dr. Mertins. „Wir wollten wissen, welche Folgen genetische Veränderungen auf der Ebene der Proteine haben und diese molekularbiologischen Daten mit dem tatsächlichen Verlauf bei den Patientinnen und Patienten abgleichen.“ Bei der Erhebung und Auswertung der umfangreichen Datenmengen hatte das Team Unterstützung durch Expert:innen an Charité, BIH und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK).
Neueste massenspektrometrische Methoden ermöglichten es, das Proteinprofil entarteter Plasmazellen zu erstellen und mit dem Profil gesunder Plasmazellen von nicht erkrankten Personen zu vergleichen. Das Ergebnis: Sowohl genetische Veränderungen als auch Veränderungen in den Signalwegen führen zu einer unkontrollierten Aktivierung der Krebszellen. Regulatorische Prozesse auf der Proteinebene hatten dabei den stärkeren Einfluss. Die Forschenden konnten eine Proteinkonstellation ausfindig machen, die unabhängig von bekannten Risikofaktoren auf einen besonders aggressiven Krankheitsverlauf hinweist.
„Die Erkenntnisse werden dazu beitragen, Patientinnen und Patienten künftig besser in Untergruppen einzuteilen und damit die Therapie zu personalisieren“, folgert Prof. Krönke. „Wir haben wichtige Proteine und Signalwege identifiziert, die Grundlage für noch wirksamere und verträglichere Therapien für das Multiple Myelom sein können, zum Beispiel für Immuntherapien wie die CAR-T-Zell-Therapie.“ Welche der gefundenen Zielstrukturen für neue therapeutische Ansätze tatsächlich infrage kommen, werden die Wissenschaftler:innen in weiteren Schritten untersuchen.
Für die Forschung und die anwendungsbezogene Entwicklung ist die Studie eine zentrale Ressource, betont Dr. Evelyn Ramberger, Erstautorin der Studie: „Um den komplexen Datensatz handhabbar zu machen, haben wir ein interaktives und frei verfügbares Online-Tool programmiert.“ Damit haben Krebsforscher:innen einen einfachen Zugang zu den Ergebnissen und können die Informationen für die Entwicklung neuer Therapien und Tests zur Therapiesteuerung nutzen. So könnten Patient:innen mit einer besonders aggressiven Form des Multiplen Myeloms möglicherweise gleich zu Beginn mit einer intensiveren Therapie behandelt werden.
Originalpublikation:
Ramberger, E., Sapozhnikova, V., Ng, Y.L.D. et al. The proteogenomic landscape of multiple myeloma reveals insights into disease biology and therapeutic opportunities. Nat Cancer 5, 1267–1284 (2024).
Quelle: DKTK
Studie zu neuem genetischen Risikofaktor bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen - Einfluss auf neue Diagnose- und Behandlungsmethoden zur Vorbeugung.
Gefährliche Ablagerungen in den Blutgefäßen, sogenannte Plaques, stellen ein Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle dar. Ein Forschungsteam des Uni-Instituts für Kardiogenetik unter Leitung von DZHK-Wissenschaftler Dr. Redouane Aherrahrou konnte jetzt in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern zeigen, dass bestimmte Gene die Stabilität der Plaques und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Arteriosclerosis, Thrombosis, and Vascular Biology veröffentlicht.
Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Gefährliche Ablagerungen in den Arterien, sogenannte atherosklerotische Plaques, spielen hierbei eine zentrale Rolle. Ein besseres Verständnis der Mechanismen, die zur Stabilisierung oder Destabilisierung dieser Plaques führen, ist daher von großer Bedeutung.
Das Team um Dr. Redouane Aherrahrou hat genetische Daten zu Herzinfarkten aus den letzten zwanzig Jahren mit glatten Muskelzellen aus Blutgefäßen von 151 gesunden Herztransplantationsspendern kombiniert. Diese Zellen haben eine bedeutende Funktion bei der Bildung und Stabilisierung von Plaques.
„In unserer Studie konnten wir zeigen, dass genetische Unterschiede die Freisetzung von Eiweißen beeinflussen können, die zur Stabilisierung von atherosklerotischen Plaques beitragen“, erklärt Dr. Aherrahrou. „Besonders spannend ist, dass wir durch die Kombination der Informationen über diese Eiweiße mit genetischen Daten durch moderne bioinformatische Methoden neue Erkenntnisse gewinnen konnten.“
Das Forschungsteam fand mehrere genetische Varianten, die das Risiko eines Herzinfarkts erhöhen. Eine spezielle Variante im LTBP1-Gen ist besonders interessant, da eine erhöhte Aktivität dieses Gens zu stabileren Plaques führt. „Die Regulierung des LTBP1-Gens könnte eine vielversprechende zukünftige Therapiemöglichkeit sein“, so Dr. Aherrahrou.
Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Wissenschaft von Bedeutung, sondern könnten auch die Entwicklung neuer Diagnose- und Behandlungsmethoden zur Vorbeugung von Herzinfarkten und Schlaganfällen maßgeblich beeinflussen. „Unsere Forschung bietet neue Ansätze, um Patientinnen und Patienten mit höherem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu identifizieren und gezielt zu behandeln“, fasst Dr. Aherrahrou zusammen.
Originalpublikation: Secreted Protein Profiling of Human Aortic Smooth Muscle Cells Identifies Vascular Disease Associations. Aherrahrou, R. Baig, F., Theofilatos, K. et al., Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2024 Apr;44(4):898-914.
Quelle: DZHK
Bei einem Schlaganfall hilft der sogenannte Troponin-Wert das Risiko eines damit einhergehenden Herzinfarkts einzuschätzen. Das zeigt eine gemeinsame Studie des DZNE und des DZHK. Die Befunde könnten den Weg zu einer besseren Behandlung bereiten.
Patientinnen und Patienten mit akutem Schlaganfall erleiden häufig auch Komplikationen am Herzen. Im Einzelfall ist es allerdings schwer zu beurteilen, ob dabei eine stressvermittelte Herzschädigung vorliegt oder ein Infarkt, also eine Durchblutungsstörung des Herzmuskels, die schnellstmöglich behandelt werden muss. Bei der medizinischen Entscheidung hilft die Bestimmung des Troponin-Wertes im Blut. Dabei wird ein Eiweißstoff erfasst, der aus den Herzmuskelzellen stammt. Ist dessen Konzentration stark erhöht, deutet dies auf einen Infarkt hin – und dann ist eine Herzkatheter-Untersuchung (Koronarangiographie) angesagt. Wird dabei ein Gefäßverschluss oder eine kritische Verengung festgestellt, kann ein sogenannter Stent eingesetzt werden: Dieses Implantat dient dazu, die Gefäße zu erweitern und die Blutversorgung des Herzens zu verbessern.
Im klinischen Alltag kommt der Herzkatheter bislang nur bei etwa ein bis zwei Prozent der Schlaganfall-Patienten zum Einsatz. Das könnte sich aufgrund einer interdisziplinären Forschungskooperation von Kardiologen und Neurologen ändern. Denn die gemeinsame PRAISE-Studie von DZHK und DZNE – in deren Rahmen rund 250 Erwachsene mit akutem Schlaganfall und stark erhöhten Troponin-Werten untersucht wurden – ergab: Bei der Hälfte aller Patientinnen und Patienten lag tatsächlich auch ein Herzinfarkt vor.
„Das ist zumindest aus Sicht von Neurologen ein überraschend hoher Anteil, so viele Herzinfarkte hatten wir nicht erwartet“, sagt Prof. Matthias Endres, Direktor der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Berliner Charité und Forscher am DZNE-Standort Berlin. Er leitete die Studie zusammen mit seinen Charité-Kollegen Prof. Christian Nolte und Prof. Ulf Landmesser vom Deutschen Herzzentrum der Charité.
Demnach waren rund 20 Prozent der Schlaganfall-Patienten von einem Herzinfarkt Typ 1 betroffen, der umgehend behandelt werden sollte. Bei weiteren 30 Prozent der Patienten wurde ein Herzinfarkt vom Typ 2 festgestellt, der durch Sauerstoffmangel im Herzen ausgelöst wird, bei dem sich aber keine Blutgerinnsel oder Gefäßverengungen bilden.
Die PRAISE-Studie ermittelte außerdem, dass ein um mehr als fünffach erhöhter Troponin-Wert mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt vom Typ 1 anzeigt. „Das ist eine relevante Erkenntnis“, so Christian Nolte, „der neue Grenzwert kann helfen zu entscheiden, welche Patienten mit Schlaganfall eine Koronarangiographie erhalten sollten“. Liegt ein Gefäßverschluss oder eine kritische Verengung der Herzkranzgefäße vor, kann ein Stent eingesetzt werden. Damit verbindet sich die Hoffnung, die Prognose für Betroffene zu verbessern und ihre Sterblichkeitsrate zu senken.
Die Studie war ein erster Schritt dorthin. „PRAISE ist eine diagnostische Studie, um den Mechanismus der Herzschädigung besser zu verstehen“, betont Endres. „Als Nächstes wollen wir nun mit einer Behandlungsstudie untersuchen, ob wir die Prognose von Schlaganfallpatienten mit fünffach erhöhten Troponinwerten mithilfe eines Herzkatheters und der entsprechenden Behandlung verbessern können.“ Erst dann ließen sich verbindliche Empfehlungen für die klinische Praxis formulieren.
Originalpublikation: Type 1 Myocardial Infarction in Patients With Acute Ischemic Stroke. Nolte, C.H. von Rennenberg, R. Litmeier, S. et al. JAMA Neurol. 2024;81(7):703–711.