Das Multiple Myelom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen der Immunzellen des Knochenmarks. Bis heute gilt sie als unheilbar. Auch wenn eine Therapie zunächst anschlägt, kehrt der Krebs zurück. Wie sich besonders aggressive Tumorvarianten frühzeitig erkennen lassen, beschreiben Forschende jetzt im Fachmagazin Nature Cancer.

    Um schneller und zielgerichteter eingreifen zu können, haben Forschende an Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und Max Delbrück Center zusammen mit weiteren Partnern die Erkrankung umfassend molekular untersucht. Das Team zeigt auf, wie sich Veränderungen im Erbgut auf das Protein-Profil der Tumorzellen und damit auf die Krankheitsmechanismen auswirken.

    Das Multiple Myelom ist eine Krebserkrankung, bei der Immunzellen des Knochenmarks, sogenannte Plasmazellen, entarten. Plasmazellen sind für die Produktion von Antikörpern verantwortlich. Jeder Mensch verfügt über eine Vielzahl unterschiedlicher Plasmazellen, die unterschiedliche Antikörper in großer Zahl bilden. So kann der Körper verschiedene Krankheitserreger erkennen und bekämpfen. Im Fall des Multiplen Myeloms entwickelt sich eine einzelne Plasmazelle zur Tumorzelle. Sie vermehrt sich ungehemmt und bildet eine monoklonale Zellpopulation, das heißt, es entstehen viele Zellen, die alle exakt gleich und zunächst genetisch identisch sind. Auch sie produzieren oft Antikörper in großer Zahl oder Bruchstücke von ihnen – jedoch sind diese funktionslos.

    Im Verlauf der Krankheit entstehen meist mehrere Tumorherde an vielen Stellen des Knochenmarks, daher der Name: Multiples, also vielfaches, Myelom. Immunschwäche, Nierenversagen, Knochenabbau und Knochenbrüche sind nur einige der Folgen des unkontrollierten Zellwachstums. Trotz therapeutischer Fortschritte und der Einführung neuer zellulärer Immuntherapien gibt es für das Multiple Myelom heute noch keine Heilung. Ein Forschungsteam um Prof. Jan Krönke, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie der Charité, und Dr. Philipp Mertins, Leiter der Technologieplattform Proteomik von Max Delbrück Center und BIH, hat sich daher auf die Suche nach neuen diagnostischen und therapeutischen Ansätzen begeben.

    Welchen Weg schlägt der Tumor ein?

    Jede Krebserkrankung ist anders, so auch beim Multiplen Myelom. Tumorherde entwickeln sich individuell verschieden und mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Das erschwert eine Einschätzung des Krankheitsverlaufs und die Wahl der optimalen Behandlung. Während sich veränderte Plasmazellen manchmal nur wenig verbreiten, verhalten sie sich in anderen Fällen äußerst aggressiv, was mit einer schlechten Perspektive für den weiteren Krankheitsverlauf einhergeht.

    Was also macht die Verläufe bei Multiplem Myelom so unterschiedlich? Gemeinsam mit Expert:innen für Proteinanalysen des Max Delbrück Center und des BIH haben die Forschenden genetische und molekulare Veränderungen in den Tumorzellen bei einer Gruppe von mehr als einhundert Erkrankten im Detail untersucht. Eingeflossen sind Daten von Patient:innen der Deutschen Studiengruppe Multiples Myelom (DSMM), die am Universitätsklinikum Würzburg koordiniert wird. Die Forschenden konnten somit auch klinische Daten von einheitlich behandelten Patient:innen über einen Zeitraum von acht Jahren und länger nach der Erstdiagnose einbeziehen.

    Systemmedizin und sehr große Datenmengen

    Während für andere Krebsarten die Veränderungen im Genom und ihre Auswirkungen auf das Proteom bereits gut beschrieben sind, ist dies die erste umfangreiche proteogenomische Studie für das Multiple Myelom. „Um die Krankheitsmechanismen aufzuklären, reichen Daten zur Genetik allein nicht aus“, sagt Dr. Mertins. „Wir wollten wissen, welche Folgen genetische Veränderungen auf der Ebene der Proteine haben und diese molekularbiologischen Daten mit dem tatsächlichen Verlauf bei den Patientinnen und Patienten abgleichen.“ Bei der Erhebung und Auswertung der umfangreichen Datenmengen hatte das Team Unterstützung durch Expert:innen an Charité, BIH und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK).

    Neueste massenspektrometrische Methoden ermöglichten es, das Proteinprofil entarteter Plasmazellen zu erstellen und mit dem Profil gesunder Plasmazellen von nicht erkrankten Personen zu vergleichen. Das Ergebnis: Sowohl genetische Veränderungen als auch Veränderungen in den Signalwegen führen zu einer unkontrollierten Aktivierung der Krebszellen. Regulatorische Prozesse auf der Proteinebene hatten dabei den stärkeren Einfluss. Die Forschenden konnten eine Proteinkonstellation ausfindig machen, die unabhängig von bekannten Risikofaktoren auf einen besonders aggressiven Krankheitsverlauf hinweist.

    Aufbruch zu neuen Therapien

    „Die Erkenntnisse werden dazu beitragen, Patientinnen und Patienten künftig besser in Untergruppen einzuteilen und damit die Therapie zu personalisieren“, folgert Prof. Krönke. „Wir haben wichtige Proteine und Signalwege identifiziert, die Grundlage für noch wirksamere und verträglichere Therapien für das Multiple Myelom sein können, zum Beispiel für Immuntherapien wie die CAR-T-Zell-Therapie.“ Welche der gefundenen Zielstrukturen für neue therapeutische Ansätze tatsächlich infrage kommen, werden die Wissenschaftler:innen in weiteren Schritten untersuchen.

    Für die Forschung und die anwendungsbezogene Entwicklung ist die Studie eine zentrale Ressource, betont Dr. Evelyn Ramberger, Erstautorin der Studie: „Um den komplexen Datensatz handhabbar zu machen, haben wir ein interaktives und frei verfügbares Online-Tool programmiert.“ Damit haben Krebsforscher:innen einen einfachen Zugang zu den Ergebnissen und können die Informationen für die Entwicklung neuer Therapien und Tests zur Therapiesteuerung nutzen. So könnten Patient:innen mit einer besonders aggressiven Form des Multiplen Myeloms möglicherweise gleich zu Beginn mit einer intensiveren Therapie behandelt werden.

    Originalpublikation:

    Ramberger, E., Sapozhnikova, V., Ng, Y.L.D. et al. The proteogenomic landscape of multiple myeloma reveals insights into disease biology and therapeutic opportunities. Nat Cancer 5, 1267–1284 (2024).

    Quelle: DKTK

    Über 100 Dresdner Wissenschaftler:innen tauschten sich zu Gemeinsamkeiten in der Forschung zu Diabetes, Krebs und neurodegenerative Erkrankungen aus.

    Insgesamt mehr als 80 Institutionen mit zahlreichen beteiligten Hochschulen, Universitätskliniken und außeruniversitären Forschungseinrichtungen bilden die Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Drei von ihnen haben Partnerstandorte in Dresden. Zu ihnen gehören das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und das Paul-Langerhans-Institut Dresden (PLID) des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

    In den einzelnen Zentren arbeiten die besten Wissenschaftler:innen aus universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen interdisziplinär zusammen, um neue medizinische Forschungsergebnisse schneller in die Anwendung zu bringen. Dies ist auch dringend nötig, denn nach wie vor ist die Zahl der Menschen, die an Volkskrankheiten wie Krebs, Stoffwechsel- oder neurodegenerativen Erkrankungen leiden beziehungsweise neu erkranken, besorgniserregend.

    Trotz unterschiedlicher inhaltlicher Schwerpunkte der drei Zentren gibt es viele Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Entwicklung von neuen Therapieansätzen oder Untersuchungsmethoden. Eine regelmäßige intensive und vor allen langfristige Vernetzung am Standort Dresden bietet daher hervorragende Möglichkeiten, gemeinsam neue innovative Forschungsstrategien zu entwickeln.

    Einmal jährlich organisieren die drei Zentren das gemeinsame „Joint DZG Symposium Dresden“, das am 27. April seinen fünften Geburtstag feierte und diesmal maßgeblich vom PLID ausgerichtet wurde. Das als Austauschplattform für Dresdner Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen konzipierte Symposium, konnte nach mehrjährigen Corona-bedingten Onlineveranstaltungen, dieses Jahr wieder als Präsenzmeeting mit über 100 Teilnehmer:innen stattfinden.

    Die Begrüßung erfolgte durch Prof. Michele Solimena, Standortsprecher am PLID/DZD und Prof. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät der TU Dresden, die übereinstimmend die Bedeutung der DZG für den Johannstädter Campus der Dresdner Hochschulmedizin unterstrichen.

    In seinem Vortrag zu den nationalen Aktivitäten der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung sprach Martin Hrabé de Angelis, Vorstandsmitglied des DZD und diesjähriger Vorsitzender des Leitungskomitees der nationalen DZG-Aktivitäten, darüber, welche Bedeutung gemeinsame Forschungsprojekte und Forschungs-IT, die Nachwuchsförderung und die Patient:innenbeteiligung für Zusammenarbeit und den Erfolg der DZG haben.

    Zu den seit 2020 beliebten und erfolgreichen Grants für die Anschubfinanzierung von DZG-übergreifende Projekten, welche neue translationale Aktivitäten zwischen den Dresdner DZGs fördern sollen, präsentierten die Preisträger des Jahres 2022 ihre Projekte:

    1. Anja Feldmann (DKTK) zu ihrem Projekt „CAR brakes - Equippin Treg cells with chimeric antigen receptores to halt aberrant immunity” mit Anne Eugster (DZD/PLID) und Anke Fuchs (DKTK).
    2. Joshua Thomas (DZNE) zu seinem Projekt "Interrogating aberrant SMA metabolic pathways for potential combinatorial treatment targets" mit Tiago Alves (DZD/PLID).
    3. Yanni Morgenroth zu seinem Projekt "Abundance and Morphometry of Endocrine and Immune Cells in Islets of Langerhans derived from Living Donors in Health and Type-2 Diabetes" mit Rebekka Wehner (DKTK).

     

    Die in den drei Projekten erzielten Ergebnisse sind überzeugend und bieten eine Basis für eine weiterführende gemeinsame Forschungstätigkeit.

    Die diesjährige Keynote-Lecture wurde von Prof. Anthony Hyman, dem Managing Direktor des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik, Dresden gehalten. Der Vortrag des mehrfach hochrangig ausgezeichneten Wissenschaftlers beschäftigte sich mit der Zelle als polyphasischem System und der Frage, wie sich die Bildung flüssiger Phasen in einem flüssigen Zytoplasma auf die Bildung von membranlosen Kompartimenten von Makromolekülen in lebenden Zellen auswirkt. Spannend vorgetragen wird er den Zuhörern am Ende nicht nur wegen des anschaulichen „Öl und Essig“ Vergleiches in Erinnerung bleiben.

    Zum Abschluss des 5. Gemeinsamen DZG Symposiums verkündete Prof. Mechthild Krause noch den Call für die nächste Runde der DZG-übergreifenden Anschubfinanzierungen bei dem jeweils mindestens zwei Wissenschaftler:innen unterschiedlicher DZGs gemeinsam einen Projektantrag einreichen können und lud die Teilnehmer zum 6. Gemeinsamen DZG Symposium ein, welches 2024 vom DKTK in Dresden ausgerichtet werden wird.